Die ersten Schritte im Jazz

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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Blas!
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blas! »

Der Trompeter klingt grottenschlecht, geradezu bemitleidenswert. Falls das wirklich Chet Baker gespielt haben sollte, müsste er zu diesem Zeitpunkt vollkommen "kaputt" gewesen sein.
Blas!
buddy
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von buddy »

Bixel hat geschrieben:Du beobachtest bei John Coltrane ein gefühlloses Runternudeln von Skalen und Patterns?
Die zitierte Wortwahl und deren Zusammenhang stammen von Dobs, ist aber allgemein unter romantisierenden Musikfreunden sehr beliebt.
Angesichts des Tempos und der eingesetzten improvisatorischen Mittel in z.B. Giant Steps könnte man freundlich vielleicht von "expressiv" schreiben, "gefühlvoll" passt da für mich gar nicht.
Im vermutbaren Sinn der zitierten Aussage von Dobs zeigt Coltrane bei anderen Aufnahmen ungleich mehr "Gefühl" und weniger "Patterns", die von dir im früheren Beitrag angesprochene Rührung ist da schon wahrscheinlicher.

Coltranes ausführliche Beschäftigung mit Rascher, Slonimsky usw. ist gut dokumentiert und bis zu den in Solos zitierten Skalenübungen nachweisbar. Offenbar geschah dies ebenso wie der Einsatz von Permutationen im Giant Steps Solo sehr kalkuliert und ausführlich vorbereitet/eingeübt.
Das alles ist dir aber sicherlich wie jedem belesenen Jazz-Liebhaber schon lange bestens bekannt, dieser Diskussionsteil ist daher nur eine deiner geliebten sophistischen Übungen.

@Blas! Außer Bixel glaubt man es kaum, aber es ist tatsächlich Chet!
Was Bixels herzliche Fürworte zu Chet Baker auf Albert's House betrifft - über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.
Er kennt die Aufnahmen sicherlich und weiß daher auch ohne Durchhören (dann aber sowieso), dass es sich um dilettantische Kompositionen eines Jazz-Amateurs handelt, der sich diese Produktion gegönnt hat und dazu den bewunderten und wieder einmal völlig fertigen Chet Baker an einem Tiefpunkt seiner Performance angeheuert hat.

Auch wenn mir damit durch Bixel der letzte Rest an minmaler musikalischer Wahrnehmungsfähigkeit für immer und ewig abzusprechen ist:
ich vermisse bei dieser Aufnahme schmerzlich die oft genug atemberaubende melodische Gestaltungskraft, mit der Chet Baker bei guten Solos außerordentlich schlüssig auf der Trompete "singt".
Es ging natürlich zum Glück oft auch anders, sogar am Ende seines Leben. Nicht im Hinblick auf "Highlight" herausgesucht, sondern als typisch für das, was ich positiv am meisten mit Chet Baker verbinde: ein "einfacher" Standard genügt, um mich mit einem lyrischen Solo zu beeindrucken.

Blind Wolf
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blind Wolf »

Bitte nicht vergessen: das Stück selbst, die Komposition an sich, taugt schon mal von vorneherein nichts.
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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

buddy hat geschrieben:
Bixel hat geschrieben:Nichtsdestotrotz darf man ihm m.E. unterstellen, dass er über weite(ste) Strecken gefühlt hat, was er gespielt hat.
Angesichts des Tempos und der eingesetzten improvisatorischen Mittel in z.B. Giant Steps könnte man freundlich vielleicht von "expressiv" schreiben, "gefühlvoll" passt da für mich gar nicht.
Weder schrieb noch meinte ich gefühlt im Sinne von gefühlvoll, sentimental, rührend.
Mit "expressiv" bin ich vollkommen einverstanden - Hauptsache, das Gespielte ist gefühlt.

Auch Patterns können gefühlt werden, wenn die (übende) Beschäftigung damit ausreichend intensiv war. Von Letzterem darf man bei Coltrane getrost ausgehen.

Wovon man nach meiner Beobachtung nicht ausgehen darf, ist, dass das Üben von Patterns den Jazz-Anfänger (oder den belesenen Jazz-Konsumenten) dazu befähigt, die Sprache Jazz aktiv zu beherrschen.

Belege des Gegenteils nehme ich jederzeit gern entgegen.

buddy hat geschrieben:Was Bixels herzliche Fürworte zu Chet Baker auf Albert's House betrifft - über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.
Er kennt die Aufnahmen sicherlich und weiß daher auch ohne Durchhören (dann aber sowieso), dass es sich um dilettantische Kompositionen eines Jazz-Amateurs handelt, der sich diese Produktion gegönnt hat und dazu den bewunderten und wieder einmal völlig fertigen Chet Baker an einem Tiefpunkt seiner Performance angeheuert hat.
Die von dir verlinkte Aufnahme zeigt Chet Baker zweifellos in einem seiner sehr schwachen Momente.
Ich kannte die Produktion zuvor nicht, und bin nach Hören dieses Auszuges auch nicht sonderlich neugierig auf den Rest jener Produktion.

Meine Fürworte zu Chet Baker möge man bitte so deuten wollen, dass der Mann selbst in Momenten größten körperlichen Elends in der Lage war, zu musizieren.

Zumindest dies hatte er belesenen Jazz-Konsumenten in Bestform vermutlich voraus.

:wink:
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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

Blind Wolf hat geschrieben:Wie kann man feststellen, ob jemand überhaupt tatsächlich improvisiert und nicht doch "nur" ein vorher genau überlegtes und festgelegtes Solo spielt? Kann man das überhaupt? Dass jemand bei unterschiedlichen Auftritten/Aufnahmen unterschiedlich spielt, ist ja noch kein Beweis für Improvisation. Auch etwas, was mir "seelenlos" vorkommt, kann ja auch echt improvisiert sein. Ich stelle also mal ganz generell den Begriff "Improvisation" in Frage. Mindestens ein paar Versatzstücke wird doch jeder einbauen, behaupte ich mal, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen.
Ob es gelingt, jemanden - im Sinne deiner Frage - "hinter's Licht zu führen", hängt wohl zum Einen von den Hörerfahrungen des Rezipienten und zum Anderen vom Übefleiß des Vortragenden ab.

Man kann sich mit einer Solotranskription so intensiv übend beschäftigen, dass es am Ende klingt wie spontan improvisiert. Solches wird im Rahmen eines Jazzstudiums auch betrieben (und normalerweise bereits in der Eignungsprüfung verlangt - wo es aber regelmäßig eindeutig "un-spontan" klingt).

Ein geübter Jazzhörer/-spieler sollte m.E. mit einer Trefferquote von deutlich oberhalb 95% erkennen können, ob ein Vortragender improvisiert (oder lediglich nachspielt).

Anders herum: Wer ein transkribiertes Jazz-Solo so perfekt (und "frisch" klingend) nachspielen könnte, dass sie/er damit einen versierten Jazz-Hörer zu "täuschen" in der Lage wäre, die/der wird dies normalerweise gar nicht erst versuchen wollen, weil sie/er dann auch ausreichend sensibel sein müsste, um ein überzeugendes Solo zu improvisieren (was mit bedeutend weniger Aufwand verbunden ist, als ein Solo perfekt nachzuspielen).
Es haben schon Schüler Soli von mir transkribiert. Ich hatte erhebliche Schwierigkeiten, das Transkribierte vom Blatt zu spielen (obwohl es ja von mir selbst stammte), während es im Augenblick des Improvisierens vergleichsweise mühelos gewesen war.

:o

Du (Blind Wolf) - als des Noten Lesens nicht Mächtiger - wärest beim überzeugenden Nachspielen von Jazz-Soli (soweit es dein instrumentales Vermögen zulässt) m.E. insoweit grundsätzlich im Vorteil, als für dich nicht die Versuchung besteht, dir über das Medium Notenblatt ein fremdes Solo anzueignen.
Über das Gehör geht das m.E. grundsätzlich besser (weil musikalischer).

@Einbauen von "Versatzstücken": Das tut m.E. jeder Improvisator. Ob dies als störend empfunden wird, ist m.E. eine Frage der "Dosierung".
Versatzstücke im Sinne von Zitaten aus anderen Stücken können z.B. ja ein sehr humorig-stilvolles Element einer Improvisation sein.

:roll:
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blind Wolf »

Bixel, soweit vorläufig d'accord.
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von orlando_furioso »

... wobei sich dem dilettierenden Feldwaldundwiesentrompeter hier die Frage stellt, ob der konzertierende Jazztrompeter bei einer Improvisation jedesmal etwas völlig neues "komponiert" oder ob er nicht doch irgendwann auf einen Werkzeugkasten von Pattern zurückgreift, die er gerne spielt und die ihm bei diesem Stück (das er gerade spielt) besonders passend erscheinen.
Sprich: wenn man zwei Konzerte hintereinander besucht, dann klingen die "Improvisationen" in demselben Titel gleich oder zumindest sehr ähnlich. Kann man dann noch von "Improvisation" sprechen oder sind das nicht eher "Variationen über eine vor Jahren mal entwickelte Improvisation"?
Oder angers gefragt: gibt es über die Zeit hinweg einen "Optimierungsprozeß" - das heißt irgendwann hat der Improvisateur das ganz subjektiv Ideale (für diesen Titel) gefunden und spielt dies (mit geringen Variationen)?
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von MrLargo »

Bixel hat geschrieben:Es haben schon Schüler Soli von mir transkribiert. Ich hatte erhebliche Schwierigkeiten, das Transkribierte vom Blatt zu spielen (obwohl es ja von mir selbst stammte), während es im Augenblick des Improvisierens vergleichsweise mühelos gewesen war.
Etwas sehr Ähnliches erlebe ich bei mir selber immer wieder auch in der klassischen Musik! Gestern übte ich z.B. mal wieder Neruda. Den 1. Satz kenne ich natürlich in und auswendig. Da ich trompeterisch momentan nicht so fit bin, wie ich es gerne wäre, kam es mir an einigen Stellen nach einiger Zeit doch recht anstrengend vor. Kurzum: Ich hatte Mühe, die Noten abzuspielen, die Ausdauer machte mir zu schaffen, Finger und Anstoß fühlten sich träge an etc.

Nach einer Zeit stellte ich mich weiter vom Pult entfernt auf, achtete auf die Haltung, folgte den Noten nur noch sporadisch und versuchte, einfach Musik zu machen. Es war mit einem Mal wesentlich einfacher, hat Spaß gemacht, es war richtig befreiend. Der Fokus lag eben auf dem eigentlichen musikalischen Gestalten.

Ich bin im Jazz den meisten Jazzern hier vermutlich unterlegen, aber wenn ich mal ein gutes Solo gespielt habe, war es häufig eigentlich das gleiche "Feeling": Das, was gerade im Kopf entsteht (improvisiert oder auch nicht), mit dem Instrument just in time gestalten, das ist für mich der wesentliche Kern des eigenen Musik"machens". Dann ist es auch nicht so elementar, ob man bereits Pattern bei einem Solo parat hat. Es ist eher die Frage, wie man sie spielt.

LG
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

@orlando_furioso: Jazzmusiker, die es ernst meinen, starten stets mit leerem Kopf und kreieren.

@MrLargo: :gut:

:)
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von FlüTro »

Frage:
--> Ist es eigentlich schon Jazz, wenn man das alles durchliest ? :huepf:
--> sog. Para-Jazz ? :D
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orlando_furioso
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von orlando_furioso »

... wenn du dir jedesmal wenn du es liest etwas neues kreatives dabei denkst dann sicherlich ... :narr:
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von FlüTro »

Jazz ist´s wenn man´s trotzdem macht.........
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Tacet »

Jazz ist, wenn ihr euch in die Hose macht...
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

Oh, Mist: Jetzt muss ich wieder spielen, was ich will.

:(
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von tplady »

MrLargo hat geschrieben:...dass Profis wesentlich mehr Lebenszeit mit dem Instrument und Musik verbringen...
Was zu geistiger Verarmung führen kann.
MrLargo hat geschrieben:Ebenso logisch ist, dass es mehr Menschen gibt, die Profis hören wollen, als Menschen, die sich gerne die Musik von Amateuren anhören
Sind das jene, die vordergründige Akrobatik bejubeln?
Jazz acrobatism died in amateur society—its audience amateurs—its phonography taught goals reachable in 40 minutes daily.
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