Zur Lippenöffnung gibt es glücklicherweise röntgologische Nachweise: In tiefen Lagen wird sehr viel mehr Luft im gleichen Zeitintervall verbraucht wie in hohen Lagen. Bei den schnellen Schwingen der Lippen ist der Ausschlage der Lippenamplitude bei weitem nicht so groß wie in tiefen Lagen. Das zeigen die Aufnahmen sehr gut. Will man allerdings sehr laut und hoch spielen, so muss man - vorausgesetzt das hohe Spiel wird bereits gekonnt - darauf achten, dass man nicht zu eng wird. Die Behauptung, man muss immer maximal groß sein mag relativ gesehen dann stimmen, wenn man laut und hoch spielen will.
Um überhaupt hoch spielen zu lernen ist es - und damit stehe ich nicht allein mit meiner Empfehlung - anzuraten, erst in leiseren Bereichen zu üben. Denn die meisten Bläser können überhaupt nicht die Lippenspannung für sehr hohe Noten aufbringen und zusammenhalten. Will man dann noch wie in tiefen lagen spielen, dann geht gar nichts mehr. Der Ansatz kollabiert, ...
cat Anderson u.v.a. haben das schon vor Jahren erkannt und Trainigsmethoden entwickelt, die genau diesen Sachverhalt berücksichtigen. Aus eigenen Erfahrungen kann ich bestätigen, dass die Kontrolle über die Lippenöffnung flexibel sein muss, um Tonhöhe zu erreichen. Den Ansatz als statisch zu betrachten, halte ich schlicht für Unsinn. An der Lippenöffnung passiert mehr, als vielen klugen Leuten vielleicht lieb ist (auch wenn von außen kaum sichtbart).
Würde man endlich daran gehen, nicht nur mittelmäßige Klassiker röntgologisch zu untersuchen, dann würde man im Highnote-Bereich Entdeckungen machen, die wahrscheinlich viele Profis erstaunen ließen. Auf deren Erklärungsmodelle (wie z.B. von Morrison, Maynard ...) gebe ich schon lange nichts mehr.
Ebenso wäre es spannend zu untersuchen, was das ganze Geschwätz von 1/3 Luft unten 2/3 oben ... bringt. Wer kann das genau abschätzen? Man hat eine Lunge und ein Zwerchfell mehr nicht. Man kann nach meiner Erfahrung den Klang beeinflussen, wenn man die Luft direkt aus oberen Bereichen pustet. Aber das funktioniert auch, wenn man die Lunge von unten nach oben füllt und dann mittels Bauch das Zwechfell unterstützt (wie beim Haga-Yoga nach hinten drückt).
Ich habe die Yoga-Atmung nach Shew gelernt und habe danach durch viel Üben diese Erfahrung gemacht: Es ist bei mir egal ob ich einatme wie ich will (entspannt von unten nach oben) oder ob ich à la Shew unten wenig einatmen, dann mit Einziehen des Bauches viel oben und dann noch Schulern hochziehen. Die Art der Ausatmung steuert eher den Klang als das Einatmen, das bei mir möglichst entspannt funktionieren soll (weil ich mich so wohler fühle).
Unter wissenschaftlichem Gesichtpunkt gibt es wohl selten so viele Mythen wie beim Trompetespielen. Unter praktischem Gesichtspunkt helfen solche Mythen dem Ein oder Anderen auch, weshalb sie sich so hartnäckig halten.
Hannes