Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Hier geht`s um die klassischen Stücke,Märsche,Techniken etc.

Moderator: Die Moderatoren

bpcw001
SuperPoster
Beiträge: 104
Registriert: Freitag 15. Januar 2010, 10:21
Meine Instrumente ..: Yamaha Xeno 8335S EU
Dowids M-Serie
Noname-Perinet-Kanne aus den 80ern

Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von bpcw001 »

Hallo zusammen,

mit dem Zunehmen der historischen Aufführungspraxis mit Bezug auf die Wahl der Instrumente wollte ich mal fragen, wie Ihr das seht.

Mir persönlich gefallen Aufführungen mit Barocktrompeten (auch Barock-Oboen) klanglich überhaupt nicht. Das klingt für mich alles fürchterlich verstopft und verschnupft, und oft auch intonatorisch unsauber.

Klar kann man unter musikhistorischen Aspekten argumentieren, und ja, es hat sich damals eben so angehört. Aber keiner kann sagen, ob ein Händel oder Bach nicht den Klang der modernen Trompeten bevorzugt hätte, wenn diese Instrumente denn verfügbar gewesen wären.
Und ja, ich sehe die Herausforderung, die betreffende Literatur mit den alten, technisch limitierten Instrumenten zu spielen.

Nur: mir gefällt's einfach nicht.

Bin ich jetzt ein Banause? :cracy:
Singvögelchen
Unverzichtbar
Beiträge: 1529
Registriert: Dienstag 18. Januar 2011, 22:53
Meine Instrumente ..: meistens C

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Singvögelchen »

Hallo bpcw001,

mach dir keine Sorgen, du bist kein Banause.
Die Geschmäcker sind halt verschieden, da kann man niemanden gewaltsam bekehren.

Ich bin ja nun einer hier aus dem Forum, der modern wie barock unterwegs ist, da kenne ich mich ein wenig aus in der Materie. Intonation ist immer ein großes Thema, bei den sehr guten Ensembles kann man das schon sehr genießen...bei lochlosen Aufführungen muss man einfach an die Naturstimmung gewöhnt sein, dann kann es einem gefallen. Tut es mir persönlich aber auch nicht. Wenn dann durch diese spezielle Intonation ein Haufen schlechter Ansprachen und falsche Töne die Folge sind, ja dann sind eher die unvollkommenen Spieler die Banausen.
Geht mir aber genauso bei schlechten Jazzern, wo sich mir zum Teil auch die Zehennägel hochbiegen, weil da nicht ein Ton mal zackig auf den Punkt kommt. Pfuh...pfuh...aber toll und gefühlvoll improvisiert :?
Hör dir die Sachen an, die dir wirklich gefallen, es wäre sonst schade um deine Lebenszeit.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


"Blas schön rein, dann kommts schön raus!"
Kojak
ExtremPoster
Beiträge: 402
Registriert: Montag 13. September 2004, 14:47
Meine Instrumente ..: Trompeten
Connstellation Frankenhorn mit Bauerfeind Maschine
Yamaha 6345gs , K&H mit Pilzcuk Leadpipe
Schediwy Windisch Elaton Heinel
Flügelhörner
Couesnon,Courtois und Yamaha
und sonst noch ein paar Vintages...

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Kojak »

naja-Problem bei der Sache ist nur....keiner weiss definitiv wie die damals geklungen haben..
Die ganzen "Normen" low pitch-high pitch 440hz usw....sind Kopfgeburten des 20. Jahrhunderts.
Trompetentechnisch: Die Jungs des Barock sind "lochlos" aufgewachsen...
Wenn Du das von klein auf lernst-kriegst Du das auch eher hin wie heuteeiner...

Nur so mal zum Vergleich-als es noch keine Trigger gab hat man von klein auf gelernt D+cis
runterzudrücken (war zumindest bei mir noch so in den 70ern)-die Jungs zu Bachs Zeiten konnten das sicher auch noch mehr...

Guck mal,was Hornisten so alles lernen auszugleichen (weil Hörner halt nunmal sch**** stimmen)
Ich hab jedenfalls allergrössten Respekt vor den Jungs die versuchen das historisch korrekt hinzukriegen.
Grüssle
Dennis
Ich arbeite ja nicht-Ich mache nur Musik ..... James Last
bpcw001
SuperPoster
Beiträge: 104
Registriert: Freitag 15. Januar 2010, 10:21
Meine Instrumente ..: Yamaha Xeno 8335S EU
Dowids M-Serie
Noname-Perinet-Kanne aus den 80ern

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von bpcw001 »

Klar gibt es Musiker, die das technisch dann sehr gut hinbekommen. Die technische Leistung will ich doch auch gar nicht schmälern.
Meinem persönlichen Klangideal entspricht das aber dennoch nicht. Und ich finds auch nicht deswegen gut, nur weils schwierig ist.

Wenn z. B. beim Händel Hallelujah keine brilliante Piccolo spielt, sondern "verstopfte" Barocktrompeten, dann fehlt mir da einfach was. Genauso bei den Bach Kantaten und Oratorien.

Bei Konzerten ist das Prädikat "auf historischen Instrumenten" für mich mittlerweile ein klarer Abtörner. Leider nimmt diese Praxis überhand.
Kojak hat geschrieben: Mittwoch 27. April 2022, 15:50 naja-Problem bei der Sache ist nur....keiner weiss definitiv wie die damals geklungen haben..
So isses. Insofern nervt mich auch dieser teilweise zu beobachtende Absolutheitsanspruch solcher "historischen" Musiker.
Benutzeravatar
burt
Unverzichtbar
Beiträge: 2848
Registriert: Sonntag 5. Juni 2005, 12:15
Meine Instrumente ..: Trompeten:
Buddenbohm Infinity
Kühnel & Hoyer Topline G
Stomvi Titan C
Ricco Kühn T073 BX
Piccolo: Yamaha 9830
Flügelhorn: Courtois 154R
Kornett: Stomvi Titan

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von burt »

https://naturtrompete.ch/en/natural-trumpet/

:-D Einer der besten Trompeter im lochlosen Bereich und für mich immer anhörenswert.
Zuletzt geändert von burt am Freitag 29. April 2022, 12:15, insgesamt 1-mal geändert.
Schönen Gruß vom Burt
Benutzeravatar
burt
Unverzichtbar
Beiträge: 2848
Registriert: Sonntag 5. Juni 2005, 12:15
Meine Instrumente ..: Trompeten:
Buddenbohm Infinity
Kühnel & Hoyer Topline G
Stomvi Titan C
Ricco Kühn T073 BX
Piccolo: Yamaha 9830
Flügelhorn: Courtois 154R
Kornett: Stomvi Titan

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von burt »

bpcw001 hat geschrieben: Mittwoch 27. April 2022, 17:06
Wenn z. B. beim Händel Hallelujah keine brilliante Piccolo spielt, sondern "verstopfte" Barocktrompeten, dann fehlt mir da einfach was. Genauso bei den Bach Kantaten und Oratorien.

Bei Konzerten ist das Prädikat "auf historischen Instrumenten" für mich mittlerweile ein klarer Abtörner. Leider nimmt diese Praxis überhand.
Das kann ich allerdings auch sehr gut nachvollziehen.
Schönen Gruß vom Burt
Sandkuchen
ExtremPoster
Beiträge: 456
Registriert: Sonntag 8. Oktober 2006, 12:45
Wohnort: Niederrhein

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Sandkuchen »

bpcw001 hat geschrieben: Mittwoch 27. April 2022, 13:29 Hallo zusammen,

mit dem Zunehmen der historischen Aufführungspraxis mit Bezug auf die Wahl der Instrumente wollte ich mal fragen, wie Ihr das seht.

Mir persönlich gefallen Aufführungen mit Barocktrompeten (auch Barock-Oboen) klanglich überhaupt nicht. Das klingt für mich alles fürchterlich verstopft und verschnupft, und oft auch intonatorisch unsauber.

Klar kann man unter musikhistorischen Aspekten argumentieren, und ja, es hat sich damals eben so angehört. Aber keiner kann sagen, ob ein Händel oder Bach nicht den Klang der modernen Trompeten bevorzugt hätte, wenn diese Instrumente denn verfügbar gewesen wären.
Und ja, ich sehe die Herausforderung, die betreffende Literatur mit den alten, technisch limitierten Instrumenten zu spielen.

Nur: mir gefällt's einfach nicht.

Bin ich jetzt ein Banause? :cracy:
Nein, Deine Sicht ist legitim. Inzwischen sind die Vertreter der Zunft etwas demütiger geworden und es wird von "historisch informierter Aufführungspraxis" gesprochen. https://de.wikipedia.org/wiki/Historisc ... ungspraxis

Die Aufführungspraxis hat im Grunde drei Ansatzpunkte: Interpretation, Klang und Intonation. Du beziehst dich auf die Punkte Klang und Intonation. In beiden Aspekten hast Du nach meinen Ohren Recht und Unrecht. Ich liebe den Klang der Naturtrompete (mit Löchern) und noch mehr der Barock-Oboe. Das verstopfte und verschnupfte gibt es, ist aber nicht die Regel. Ich ziehe die Naturtrompete idR der Piccolo vor. Aus meiner Sicht ergibt sich häufig in der "Orginalklang"-Aufführung eine bessere Balance. In der Klassik und Romantik finde ich es in der Regel von den Klangfarben deutlich interessante. Wichtiger ist aber immer die Interpretation.

Bei alter "Klaviermusik" sei es Bach, Scarlatti oder Beethoven ziehe klanglich den Konzertflügel dem Cembalo oder Hammerklavier vor. Im Barockorchester höre ich dagegen lieber das Cembalo oder die Theorbe. Wenn Du dir z.B. die 4 Jahreszeiten anhörst, gibt es da fantastisches zu entdecken.

Das Thema Intonation ist nochmal sehr speziell. Wir sind es gewohnt eine Mischung aus temperierter und reiner Stimmung zu spielen und zu hören. Da schmerzt schonmal eine reine Stimmung auf C-Dur und das spielen mit den anderen Tonleitern, die erst durch "Verstimmung" verständlich werden. Die Trompete ohne Löcher ist dann nochmal eine Zicke.
Blas!
Unverzichtbar
Beiträge: 1063
Registriert: Samstag 22. September 2012, 18:30
Meine Instrumente ..: Trompete, Piccolotrompete, Flügelhorn, Kornett, Eigenbau-Didgeridoo

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Blas! »

Ist halt Geschmackssache, hat also mit Banausentum so oder so nichts zu tun.

Heutzutage gibt es nach meiner Wahrnehmung immer mehr Trompeter, die mal auf Ventiltrompeten und mal auf Barocktrompeten spielen und auf beiden sehr gut klingen.

So zB hier die beiden Trompeter von Canadian Brass. Bei denen klingt beides super, oder?

https://m.youtube.com/watch?v=J7FMu6ATxdE
Blas!
bpcw001
SuperPoster
Beiträge: 104
Registriert: Freitag 15. Januar 2010, 10:21
Meine Instrumente ..: Yamaha Xeno 8335S EU
Dowids M-Serie
Noname-Perinet-Kanne aus den 80ern

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von bpcw001 »

Blas! hat geschrieben: Freitag 29. April 2022, 16:05 Ist halt Geschmackssache, hat also mit Banausentum so oder so nichts zu tun.

Heutzutage gibt es nach meiner Wahrnehmung immer mehr Trompeter, die mal auf Ventiltrompeten und mal auf Barocktrompeten spielen und auf beiden sehr gut klingen.

So zB hier die beiden Trompeter von Canadian Brass. Bei denen klingt beides super, oder?

https://m.youtube.com/watch?v=J7FMu6ATxdE
Ja, die Jungs machen das sehr gut, keine Frage!
Ich bevorzuge dennoch die Piccolo-Version im direkten Vergleich.

Aber ich denke, wir landen jetzt bei einer reinen Geschmacksdiskussion, und die Sache beginnt sich im Kreis zu drehen. Über Geschmäcker kann man bekanntlich nicht streiten.

Wir halten fest:

- Ein Absolutheitsanspruch bzgl. der Richtigkeit des Benutzens historischer Instrumente, insbesondere von Barocktrompeten in jeglicher Form, existiert nicht, und Vertreten eines solchen Standpunkts wäre unangemessen
- Es gibt Musiker, die auf historischen Instrumenten großes Können zeigen und mit diesen Tröten auch sauber intonierend musizieren können (stand aber grundsätzlich nie zur Diskussion; nur die Tatsache, dass es bei manchen Interpreten einfach grausam werden kann, wenn die statt zur Piccolo zur Naturtrompete greifen, weils gerade "in" ist)
- Eine Ablehnung von historischen Instrumenten wegen instrumentenbedingter Nichterfüllung der eigenen Klangvorstellung unabhängig vom Musiker ist legitim

Danke für die ganzen Kommentare.
Zuletzt geändert von bpcw001 am Montag 2. Mai 2022, 15:11, insgesamt 1-mal geändert.
bpcw001
SuperPoster
Beiträge: 104
Registriert: Freitag 15. Januar 2010, 10:21
Meine Instrumente ..: Yamaha Xeno 8335S EU
Dowids M-Serie
Noname-Perinet-Kanne aus den 80ern

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von bpcw001 »

.
Singvögelchen
Unverzichtbar
Beiträge: 1529
Registriert: Dienstag 18. Januar 2011, 22:53
Meine Instrumente ..: meistens C

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Singvögelchen »

Also das Thema ist mir doch etwas zu wichtig, als es jetzt sang- und klanglos zu beerdigen.

Jawohl, man kann nicht mit Sicherheit sagen, wie genau es damals geklungen hat. Aber definitiv nicht so wie mit den heutigen Piccolotrompeten. Die Komponisten haben damals wie heute alle Möglichkeiten ausgereizt und ganz wenige Instrumentalisten haben die Meisterwerke auch damals offensichtlich hervorragend spielen können. Sonsst gäbe es nicht mehrere Bände Trompetenstimmen von Bach oder Händel.
Bei anderen Instrumenten (Orgeln beispielsweise) kann man extrem gut recherchieren, wie das Klangbild damals war. Unfassbar beeindruckend...eine Silbermann-Orgel am originalen Standort, gut intoniert und gut gespielt...da kommen moderne Instrumente einfach nicht mit. Dafür haben die andere Vorzüge, die Vielfalt ist ja das eigentlich Schöne und Interessante. Ja, und die alten Meister haben ihre Instrumente ohne elektronische Hilfsmittel gestimmt und wissenschaftliche Abhandlungen darüber geschrieben, Mitteltönigkeit, Kirnberger, Valotti, Bach-Kellner etc...wenns denen egal gewesen wäre so wie heute mit Einheitsstimmung, dann hätten die sich nicht jahrzehntelang den Kopf darüber zerbrochen.

Ich kann nur jedem Trompeter empfehlen, wenigstens mal eine kurze Einführung in die Kunst der Naturtrompeten mitzunehmen. Man lernt so unglaublich viel über den Ursprung dieser Musik, die Naturtonreihe als Ursprung dieser Musik, die Besonderheiten der Intonation, die Vielfalt der Artilulation und auch der Verzierungen. Wer dieses Wissen dann bei der modernen Piccolo mit einfließen lassen kann, ist klar im Vorteil.
Auch wenn hier hin und wieder mal Äußerungen kommen wie "verstopfter Klang" dann ist das nicht ganz richtig beobachtet. Erstens ist der Klang bedingt durch die extrem lange Röhre weitaus tragfähiger als bei einer kurzen Piccolo. Und dadurch um ein Vielfaches mischfähiger mit anderen Klängen. Die Piccolo sticht in den allermeisten Fällen gnadenlos drüber. Das ist aber eine vorübergehende Mode, hoffe ich. Auch ist beim Barocktrompetenmundstück die innnere Kante am Eingang zur Bohrung deutlich als Ecke rausgearbeitet. Das bringt ein gewisses Luftrauschen mit sich, hilft aber beim präzisen Einrasten der Naturtöne sehr. Ich hab mal das Experiment mit einem modernen Mundstück gemacht...der urtümliche farbenreiche Klang war wie kastriert, künstlich geglättet.

Ja, dann noch zur Aufführungspraxis schlechthin: es gibt große Orchester auf Weltklasseniveau, die verzichten bewusst auf Experimente, wo einzelne Stimmgruppen (Trompeten, Hörner, Flöten aus Holz usw.) auf alten Instrumenten spielen müssen. Andere wiederum tun dies und sind mitunter genauso erfogreich.

Mein persönliches Hauptproblem, vor dem ich öfters stehe: am Ende der Naturtrompetenära gibt es eine Vielzahl von Kompositionen (Mendelssohn, Brahms...) wo nicht mehr in der Clarinlage gespielt wird, aber die normalerweise 2. Trompetenstimme manchmal abenteuerliche Sprünge (Undezime und größer) vollführen muss, um überhaupt mit dem beschränkten Tonumfang im Stück mitspielen zu können. Darf man das nun einfach so in die heutzutage spieltechnisch mögliche bequeme tiefe Lage runtertransponieren oder muss man sich strikt an den Originaltext halten, auch wenn es dem Stück mangels Treffsicherheit nicht gut tut?
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


"Blas schön rein, dann kommts schön raus!"
blechfan
Unverzichtbar
Beiträge: 1071
Registriert: Donnerstag 2. April 2009, 22:49
Meine Instrumente ..: Bach Stradivarius 190-37 und was man sonst noch so braucht von Piccolo bis Alphorn
Wohnort: Großraum Stuttgart

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von blechfan »

Singvögelchen hat geschrieben: Dienstag 3. Mai 2022, 17:20 Auch ist beim Barocktrompetenmundstück die innnere Kante am Eingang zur Bohrung deutlich als Ecke rausgearbeitet. Das bringt ein gewisses Luftrauschen mit sich, hilft aber beim präzisen Einrasten der Naturtöne sehr. Ich hab mal das Experiment mit einem modernen Mundstück gemacht...der urtümliche farbenreiche Klang war wie kastriert, künstlich geglättet.
Demgegenüber behauptet ein Wikipedia-Eintrag zur Barocktrompete:
"Das Mundstück der Barocktrompete ist kesselförmig. Verglichen mit modernen Trompetenmundstücken fällt der flache Rand auf, der für den modernen Trompeter ungewohnt und unbequem ist. Da dieser flache Rand keine klanglichen Auswirkungen zeigt, kann der heutige Trompeter getrost ein Mundstück mit gewohntem, d. h. abgerundetem Rand und mit gewohntem Kessel für seine Barocktrompeten-Instrumente verwenden. Nur der Mundstückschaft muss den historischen Maßen entsprechen, weil er den barocken Klang erzeugt."
:Hä:
Singvögelchen
Unverzichtbar
Beiträge: 1529
Registriert: Dienstag 18. Januar 2011, 22:53
Meine Instrumente ..: meistens C

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von Singvögelchen »

Das widerspricht sich nicht. Das eine ist der Rand und das andere ca. 1 cm darunter der Eingang zur Engstelle/Innenbohrung. Prinzipiell sind beide Stellen beim Hardcore-Barockmundstück eher eckig, beim modernen schön geschmeidig in einer eleganten Kurve. (brillanter, moderner Klang)
Ich persönlich halte für den "Originalklang" den Eingang in die Bohrung für entscheidend. Beim Rand bin ich nämlich wegen zunehmender Probleme beim Wechseln auch zu einer abgerundeten Variante übergegangen. Das ist halt ein unliebsamer Kompromiss, wenn man zweigleisig unterwegs ist. Aber die Lippenschwingung findet ja dort statt, wo eben kein Rand mehr ist, ich halte diesen Einfluss für gering.
Derr Mundstückschaft der Originalmundstücke war meistens aus verschiedenen Röhrchen ineinandergesteckt, um annähernd einen Konus zu erreichen. Diese gestuften Rückbohrungen gibt es von einigen Herswtellern hin und wieder immer noch, manchmal mit einem einzigen gestuften Bohrer reingefräst. Halte ich aber auch für weniger wichtig als ...zum wiederholten Male...den Eingang zur Bohrung.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


"Blas schön rein, dann kommts schön raus!"
bpcw001
SuperPoster
Beiträge: 104
Registriert: Freitag 15. Januar 2010, 10:21
Meine Instrumente ..: Yamaha Xeno 8335S EU
Dowids M-Serie
Noname-Perinet-Kanne aus den 80ern

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von bpcw001 »

Singvögelchen hat geschrieben: Dienstag 3. Mai 2022, 17:20 Also das Thema ist mir doch etwas zu wichtig, als es jetzt sang- und klanglos zu beerdigen.

Jawohl, man kann nicht mit Sicherheit sagen, wie genau es damals geklungen hat. Aber definitiv nicht so wie mit den heutigen Piccolotrompeten. Die Komponisten haben damals wie heute alle Möglichkeiten ausgereizt und ganz wenige Instrumentalisten haben die Meisterwerke auch damals offensichtlich hervorragend spielen können. Sonsst gäbe es nicht mehrere Bände Trompetenstimmen von Bach oder Händel.
Und wer sagt, dass Bach oder Händel nicht die moderne Piccolo bevorzugt hätten, wenn die denn damals existiert hätte?
Wie es damals tatsächlich geklungen hat, aber was der Komponist eigentlich wollte, aber wegen technischer Unzulänglichkeiten nicht bekommen hat, kann man auch diskutieren.
Singvögelchen hat geschrieben: Dienstag 3. Mai 2022, 17:20 Ich kann nur jedem Trompeter empfehlen, wenigstens mal eine kurze Einführung in die Kunst der Naturtrompeten mitzunehmen. Man lernt so unglaublich viel über den Ursprung dieser Musik, die Naturtonreihe als Ursprung dieser Musik, die Besonderheiten der Intonation, die Vielfalt der Artilulation und auch der Verzierungen. Wer dieses Wissen dann bei der modernen Piccolo mit einfließen lassen kann, ist klar im Vorteil.
Unbestritten.
Singvögelchen hat geschrieben: Dienstag 3. Mai 2022, 17:20 Auch wenn hier hin und wieder mal Äußerungen kommen wie "verstopfter Klang" dann ist das nicht ganz richtig beobachtet. Erstens ist der Klang bedingt durch die extrem lange Röhre weitaus tragfähiger als bei einer kurzen Piccolo. Und dadurch um ein Vielfaches mischfähiger mit anderen Klängen. Die Piccolo sticht in den allermeisten Fällen gnadenlos drüber. Das ist aber eine vorübergehende Mode, hoffe ich.
Nun, genau das finde ich Geschmackssache. Ich mag die herausstechende Piccolo, und nicht die Trompete, die sich komplett reinmischt.
Benutzeravatar
burt
Unverzichtbar
Beiträge: 2848
Registriert: Sonntag 5. Juni 2005, 12:15
Meine Instrumente ..: Trompeten:
Buddenbohm Infinity
Kühnel & Hoyer Topline G
Stomvi Titan C
Ricco Kühn T073 BX
Piccolo: Yamaha 9830
Flügelhorn: Courtois 154R
Kornett: Stomvi Titan

Re: Barocktrompete bzw. generell histor. Aufführungspraxis

Beitrag von burt »

Natürlich ist es Geschmackssache aber inwieweit oder inwiegut sich ein Klang mischt, hängt m.E. auch von der Besetzung des kompletten Klangkörpers ab. Wenn ein Consortium ausschließlich auf alten, originalen oder deren nachgebauten Instrumenten spielt, so sind die Trompeten natürlich entsprechend zu wählen und dann würde eine Piccolo auch keinen Sinn machen.
Bei der Verwendung von modernem Instrumentarium hat die Piccolo schon ihre Existenzberechtigung und es gibt genug Aufnahmen, wo diese eben nicht heraussticht. Wenn ein wahrer Könner am Werk ist, wird die moderne Piccolo auch sehr gut mit dem übrigen Instrumentarium und den entsprechenden Klängen harmonieren, ohne das es unangenehm wird.

Diese z.B. :)
https://www.youtube.com/watch?v=itMGfO64-0Q

Klar gibt es auch Aufnahmen, wo es nicht gut klingt. Die gibt es aber auch bei der Verwendung von Naturtrompeten. Kommt eben auf das Ensemble und das Können der Bläser an.
Im übrigen ist es ja auch so, dass gerade in den großen Oratorien und Kantaten die Trompete oftmals die Aufgabe der Ankündigung oder Verkündigung übernimmt und mit ihrem strahlenden Ton sehr wohl etrwas herausstechen kann und sogar muss. Und es stellt sich auch für mich immer wieder die Frage, ob wir mit dem modernen Instrumentarium den wahren Intentionen der Komponisten nicht viel näher kommen.
Schönen Gruß vom Burt
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 26 Gäste