Die ersten Schritte im Jazz

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

tplady hat geschrieben:Gängige Jazzdefinitionen klären mich z.B. darüber auf, dass niemand das Recht hat mir vorzuschreiben, wie meine Trompete zu klingen hat. Das gilt auch für Bixel. Und weil er das nicht hinnehmen will/kann, lese ich ihn nicht mehr.
:(
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von tplady »

Eigenkomposition von mir (Wahlkampf 2012), aber ich sage dennoch: Jazz, wenn überhaupt, nur mit Einschränkung.
https://soundcloud.com/clarissaphone/bi ... l-of-women
Ich sage: Popmusik der 30er, mit Jazzeinflüssen - gestaltet von Jazzmusikern. Die zweiten Stimmen sind ja alle durchaus improvisiert.

Aber gefährlich wird's halt, wenn das Publikum sagt: "Mach's bitte immer so - lass das Improvisieren raus. Wir wollen lieber Ohrwürmer." Falsch orientiert - anderes Publikum suchen (es sei denn, man lebt davon).
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von tplady »

Dobs hat geschrieben:
tplady hat geschrieben:Haha, habe mir dann zuhause Harmonien dazu ausgetüftelt - dermaßen vielfarbig und jazzig, dass mir das Begleiten auch Spaß machte. Bei so einem Titel kann man was raus holen. Aber ist es meine Schuld, wenn ich mich bei Kling Glöcken oder Polka langweile? Das ist, als wollte man mich dafür verurteilen, dass ich Gurkensalat und Rote Beete nicht mag. Was für eine Zeitverschwendung sich darüber zu entrüsten. Lese das auch nicht mehr.
Hat sich darüber jemand entrüstet? Ich würde im Gegenzug allerdings der Oma, die ein Menuett von Telemann als Jazz bezeichnet, die gleiche Freiheit zugestehen wollen. Was und welchen Sinn etwas stiftet, soll bitte jeder für sich persönlich entscheiden dürfen. Das gilt für die Musik, die man spielt, wie man sie spielt und auch, wie man sie nennt.
Keiner hat sich entrüstet - Leise Rieselt der Schnee kam gut an.

Ich würde Oma sagen, dass Telemann und Händel (und deren Hamburger Musikerfreund Mattheson) ausgibig improvisiert haben. Den Rest würde ich weglassen, weil ich Oma nicht mit Jazzdefinitionen bekehren will.
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von OG-Flow »

Also, die letzten Einträge habe ich nur noch überflogen, aber um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: "Erste Schritte": Du benötigst mindestens zwei Realbooks und viel ist gewonnen, wenn man einen richtig guten Blues spielen kann. Grundform, erweiterte Form, Moll-Blues... Damit würde ich anfangen und darüber auch an der Phrasierung arbeiten. Ansonsten gab es richtige, hilfreiche Verweise: viel Jazz hören, den man spielen können möchte, play-alongs, Aufarbeitung des Repertoires von Standards (komplexe Themen lernen, darüber wieder Phrasierung und Höreindrücke schärfen), tendenziell würde ich auch eher sagen: lieber viel hören und spielen als irgendwelche Literatur ansammeln... Und ja, wurde auch schon gesagt: Natürlich Jazz in einer Band spielen, ich meine, alles andere ist ja absurd, man wird ja kein Fussballer, indem man den ganzen Tag auf ne Torwand schießt... Guter Unterricht wäre natürlich auch ne Maßnahme oder Teilnahmen bei Jazz-Workshops...

Ich hoffe, dass die bisherige Diskussion nicht der totale Abtörner für Jazz-Ambitionierte war, befürchte es aber...
LG, OG
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blind Wolf »

Das war/ist auch meine Befürchtung.
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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

Blind Wolf hat geschrieben:
OG-Flow hat geschrieben:Ich hoffe, dass die bisherige Diskussion nicht der totale Abtörner für Jazz-Ambitionierte war, befürchte es aber...
Das war/ist auch meine Befürchtung.
Du meinst, wegen:
Blind Wolf hat geschrieben:Ich sage mal zum Einstieg: Jazz kann man nicht lernen.
:question:
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blind Wolf »

Bixel, du als gelernter Provo :-) solltest erkannt haben, dass diese meine Äußerung nur als leicht provozierender Einstieg gedacht war.
Dass dann die Diskussion mit "ROT" und "bis hierher und nicht weiter" völlig grundlos außer Kontrolle zu geraten drohte, bitte ich nicht ausschließlich mir anzulasten.
Um nicht auch noch von dir auf "ignoriert" gesetzt zu werden (ich weiß leider nicht ganz genau, was das bedeutet), möchte ich dir noch sagen, dass meine Bezeichnung "gelernter Provo" nicht ehr- oder persönlichkeitsverletzend zu werten ist.
Grüße von Wolf
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Tacet »

Sorry, Lady, aber mit dem "Funky Stew" deiner Soundcloud hast du (mir) bewiesen, dass du über recht wenig jazzmusikalisches Talent verfügst.

Leider fehlt dir genau das, was man nicht lernen kann: time!
Nicht timing, time....

Das fällt mir immer wieder bei Jazzpraktikanten/Praktizierenden auf, nicht nur bei dir.
Ist ja auch nicht schlimm, wenn´s gefällt und Spaß macht.

Immerhin hast du die Eier(stöcke), deine Versuchsküche hier zu verlinken, chapeau!!

Das alles sei gesagt, obwohl du mich wahrscheinlich längst geblockt hat.
(Aber auf Grund deiner Beiträge bin sicher, dass du ALLES
heimlich mitliest :-) )

Macht dein lieber Mr. President ja auch
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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

Blind Wolf hat geschrieben:...dass diese meine Äußerung nur als leicht provozierender Einstieg gedacht war.
Dies gilt selbstverständlich auch für meine Bemerkung!

:wink:
Blind Wolf hat geschrieben:Dass dann die Diskussion mit "ROT" und "bis hierher und nicht weiter" völlig grundlos außer Kontrolle zu geraten drohte, bitte ich nicht ausschließlich mir anzulasten.
Auf gar keinen Fall! Ich denke, dass die unerfreuliche Entwicklung der Diskussion auf die (im TF zumindest) m.E. unnötig militant auftretende Repräsentantin der LGBT Community zurückzuführen ist.
Blind Wolf hat geschrieben:Um nicht auch noch von dir auf "ignoriert" gesetzt zu werden (ich weiß leider nicht ganz genau, was das bedeutet)...
Unter "Persönlicher Bereich" kann man eine Liste jener User anlegen, deren Forum-Beiträge dann als Konsequenz nicht auf den ersten Blick sichtbar sind, sondern "eingeklappt" erscheinen. Es ist also zu erkennen, dass ein ignorierter User einen Beitrag gepostet hat, jedoch muss man zur Lektüre desselben einen kurzen Mausklick auf den Button "Diesen Beitrag anzeigen" machen.

Diese Funktion wird/wurde von nach meiner Kenntnis nur von Usern der Kategorie FlüTro und tplady genutzt, dies in der Annahme, es habe eine gewisse demonstrative Bedeutung. Deshalb wird auch immer wortreich mitgeteilt, man habe einen bestimmten User auf "Ignorieren" gesetzt (gelesen wird aber sicherlich trotzdem immer alles :wink: ).

Für mich kommt eine Nutzung dieser Funktion nicht in Frage, weil ich gern alles lese.
Ein Ignorieren findet meinerseits dann allenfalls insofern statt, als ich auf bestimmte User nicht antworte.

:licht:
Zuletzt geändert von Bixel am Freitag 5. September 2014, 09:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Blind Wolf »

OK, danke für die technische Erläuterung. Dann weiß ich, dass ich diese Funktion ebenfalls nicht nutzen werde.
Übrigens konnte ich den von Tacet genannten musikalischen Beitrag von tplady nicht hören, mir wurde von der Webseite mitgeteilt, dass mein Brauser dafür ungeeignet sei. Pech gehabt. Oder auch nicht? :-)
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Bixel
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Bixel »

Blind Wolf hat geschrieben:Pech gehabt. Oder auch nicht?
Wie man's nimmt.

Die Kenntnis der einen oder anderen Kostprobe hilft m.E. bei der Einordnung der Forumbeiträge.
Falls du diesbezüglich bereits orientiert bist, brauchst du m.E. deinen Browser nicht zu wechseln.

:roll:
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von Dobs »

Wer sich mit dem Dunning Kruger Effekt auseinandersetzen möchte, dem liefert dieser Thread m. E. wertvolles Anschauungsmaterial.
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von dunbia »

Dobs, merci! :gut:
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von tplady »

Zugänge in den Jazz: Als ich den Guitarristen meiner ehemaligen Combo 1985 traf, stand er kurz vor dem Abitur und lebte Django Reinhardt in den 30er Jahren. Interessant, dass er von der Westernguitarre herkam. Sein Einstieg war, so wie er erzählte, Guitarrenworkshops an einem Jugendfreizeitheim - "She'll Be Coming 'Round the Mountain" etc./etc. .... Nunmehr machte er ein sehr ordentliches Gypsy-Swing-schrapp-schrapp-brrrrrrrrrrrrrrrrrt-schrapp-schrapp.... und solierte recht nett, bei, wie er zugab, unkonventioneller Griffweise. Zwei Jahre später schwärmte er von Charly Parker und Skalen, während wir bereits bis zu 3mal pro Wochenende auftraten. Er nahm damals an Workshops teil, seine Riffs machten mich fertig und ich sehnte mich nach "schrapp-schrapp" zurück. Soweit der aufschlussreiche Zugang meines Exguitarristen.

Mein Zugang mal etwas detailierter: In den 70ern auf der Posaune Kid Ory (der für den Anfang schön simpel ist) - also New Orleans Jazz. Um 1980 verehrte ich Posaunisten wie Miff Mole, Jimmy Harrison und Bill Rank (Chicago und Harlem Stil der späten 20er). Um 1985 war es dann Tommy Dorsey und ich befleißigte mich entsprechend swingig zu spielen. 1987 spielten wir in einem Amerikanischen Jazzclub und als wir schließlich einpackten, dudelte etwas, was höchstwahrscheinlich Whitney Houston gewesen sein könnte. Ich war fast zu Tränen gerührt und fragte unseren Guitarristen, was das sei. Seine Antwort war leider Gottes: "Das ist Soul - besorg mal Aufnahmen von Ray Charles etc./etc." Ja, verdammt, das half mir in diesem Moment überhaupt nicht! Ich glaube, er kannte Whitney damals, wollte mich aber von dem tiefweiblich Emotionalen weglocken (auf etwas, was wahrscheinlich auch Bixel propagieren wollte). Ich entdeckte Whitney erst 1991 in einem CD-Laden, was eigentlich unbegreiflich ist, weil sie damals unheimlich populär war. Also, erst nach 1990 gelangte ich vom Swing weiter zum Soul, was eine schwere Geburt war, weil ich bis dahin in meiner eigenen Welt der 20er/30er/40er Jahre gelebt hatte. In der Folge begriff ich, dass der Bebop, mit dem mich unser Guitarrist so verstört hatte, meine Chance war, um meine Phrasierung so zu erweitern, dass ich gewissermaßen soulfähig war. Zur Kenntnis nahm ich damals auch wundervolle CD-Tracks von Gloria Gaynor, welche von einer modernen Jazzposaune unterbrochen und umrankt wurde. Der Bebop war also nicht mehr Bedrohung, sondern Verlockung. Und Jamey Aebersold's Playalongs gestalteten den Ausstieg aus dem Turm spielerisch schmerzfrei. Aber mit Playalongs ist's natürlich nicht getan - ich hörte damals ununterbrochen Bebop, um moderne Phrasierung ins Ohr zu bekommen.
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Re: Die ersten Schritte im Jazz

Beitrag von tplady »

Blas! hat geschrieben:
Bixel hat geschrieben:Für mich sind Methoden eines musikalischen Zuganges so lange ohne ernsthafte Bedeutung, wie deren Verfechter (...) den Nachweis schuldig bleiben, dass sich auf ihre jeweilige Weise ganz prima musizieren(!) lässt. Dies gilt für Leute wie z.B. (...) Burba (...)
Den Nachweis, dass sich auf die Weise von (z.B.) Burba ganz prima musizieren lässt, erbringen (z.B.) die zahlreichen ganz prima musizierenden Burba-Schüler; deren Namen wurden hier schon sehr häufig genannt.

Wer waren nochmal die zahlreichen ganz prima musizierenden Bixel-Schüler?


Bild
Was Bixel offenbar übersieht, ist der Umstand, dass der Normalbürger während eines 6-wöchigen Urlaubs-/Feriensommerlochs unter Umständen ähnlich außgibig wie sein jazztrompetenakademischer Nachwuchs üben kann. So erlaubte ich mir etwa, dieses 3 bis 4 Male zu tun. Übers Jahr aber ist bei mir die Norm: höchstens einmal täglich, etwa 30 bis 40 Minuten. Über lange Zeiträume mache ich so Fortschritte und es ging seit 2004 eigentlich immer voran. Mein Übepensum während der Sommerferien ließe sich auf ganz verschiedene Weise beurteilen. Man mag mich als fleißig trompetende Arbeitsbiene loben. Oder vielleicht als asozial jazzverrückte Eigenbrödlerin?

Vor einiger Zeit wohnte ich einer Jam Session mit einem fabelhaften modernen Pianisten namens Lionel bei. Man lies mich nicht ohne ein paar improvisierte Testphrasen da trompeten. Lionel sah zwar nicht hoch entzückt aus, gab aber sein Okay. Günstig für mich war, dass an dem Abend nur noch ein Saxophonist da war - ich konnte also meinen Stil gut umsetzen. Ich glaube, dass ich Lionel's Pianoakkorde ganz anders empfand, als er sie dachte: Für mich klang er einfach tief romantisch, was jede Menge Sentimentalitäten in mir wach rief. Um in die Romantik der 30er abzugleiten, war seine Phrasierung einfach zu modern. Doch gelange ich in einem derartigen Klangumfeld instinktiv in eine Phrasierung typischer 50er/60er Sentimentalität. Ich spielte Jazz am äußersten Rande des im Jazz Möglichen an Sentimentalität. Plötzlich kam eine schwarze Sängerin auf die Bühne - sehr attraktiv, hochprofessionelle Präsentation, gekleidet wie eine 1A-Diva und doch dezent - super Ansagen, begeisternde (sage ich als klassisch geschulte Sängerin) Stimme! Die Frau hatte das Publikum binnen Sekunden in der Hand! So wie sie Night & Day anging, löste sie bei mir eine sentimentale Reizüberflutung aus. Ich umrankte ihre etwas soulige, aber tiefsentimentale Jazzstimme mit meiner Trompete und tat unwillkürlich alles um ihrer Stimme zu schmeicheln. Als nächstes Stück wünschte sie sich I Love You Porgy und ich rannte sofort los, um mein Clarineau zusammen zu stecken. Ich fühlte einfach, dass ich mit zarten Klarinettentönen bei diesem Titel noch eins drauf setzen konnte. Beschreiben kann ich das Ergebnis vielleicht annähernd, wenn ich meine Töne als 'die Diva zärtlich auf Händen tragen' umschreibe. Nein, ich war nicht verknallt - ich hatte einfach den Ergeiz sie mit tonalen Mitteln noch hübscher zu machen. Zuhause, mit Aebersold, bringe ich solche Sachen nicht rüber - nicht so intensiv.

Nach der Session war Lionel vielleicht ein wenig kühl? Vielleicht liege ich falsch, aber war ich nach seinem Geschmack 'zu sentimental' gewesen? Die Diva dagegen bestürmte mich: Wir müssten unbedingt mal was zusammen machen - ob ich eine Visitenkarte hätte. Nein, ich hatte nicht mal Stift und Papier und kann mir meine Telefonnummer über Jahrzehnte nicht merken..... ich suchte umständlich und langatmig nach meiner Festnetznummer in meinem Mobiltelefon. Sie musste dann auch noch meine Nummer vom Display ablesen, weil ich mit Zahlen immer Fehler mache. Ungeschickter konnte ich gar nicht agieren - dennoch rannte sie nicht weg. Also, diese Frau verstand meine Musik auf einer emotionalen Ebene und wollte mich als Musikerin. Und sie versteht genau das, was sich Leuten wie Bixel eindeutig nicht erschließt. Ich glaube, dass ich da eine Ebene habe, an die solche Akademiker nicht rankommen. Weil sie keine Frauen sind? Vielleicht, aber es gibt auch ein paar tiefromantische Männer, mit denen man zusammen über einem Liebesfilm weinen kann. Und ich weiß, dass solche Männer meine Improvisationen auch nicht verschmähen. Abschließend fuhr die Diva übrigens mit Lionel weg (während ich im Dunkeln mein Fahrrad suchte - LOL). Ein Anruf kam nie von ihr - solche Sachen werden ja schnell wieder vergessen (außerdem bin ich selber Sängerin und lass mich ungern splitten). Aber egal - diese Frau hat mich auf einer emotionalen Ebene musikalisch verstanden. Eine Ebene wo Bixel nicht hinkommt. Reagiert er deshalb so ausfallend, dass ich ihn schließlich mit der Ignorierfunktion blocken musste?

Ziehmlich genau vor einem Jahr: Fotoausstellung und "September in the Rain" in unserem Club - nie wieder klang ich so dicht an Doris Day (mit Akkustikpiano, nicht Playalong). Eine emotional singende und trompetende Doris Day - könnte Bixel das aushalten?

Allen Romantikern sei versichert: Ein solcher Jazzansatz ist möglich! Auch für Euch gibt es einen Platz im Jazz! Und was ich als tiefsentimentales Weibsmenschlein umsetzen kann, könntet ihr auch!! Mal als Plädoyer an alle, die von Bixel und Co. womöglich entmutigt werden. Treffe ich deswegen so wenig Frauen auf Sessions? Wir brauchen auch mehr schwule Männer im Jazz, weil die einfach offener sind und sich nicht ständig als überlegen beweisen müssen. Ich suche seit Monaten nach einem schwulen Gastsänger, der für mich dieses antifeministische The Man I Love singt. Das wäre ein Fest emotional gelebten Jazz's! Für Bixel klingt das wohl wie ein musikalischer Supergau: Abweichender Ansatz, bewusst anti-akademisch und ohne seine Hilfe umsetzbar.

Es gibt eine Welt von Amateuren, die sich nicht im Keller einschließen und Gehör finden. Bixel's repostete Fetzen können hier nicht unwidersprochen bleiben! Ende der heutigen Meditation - AMEN.
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