Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Ansatzfragen, Welche Methode ist die beste,
Probleme, Gundlegende Techniken etc.

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Singvögelchen
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Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Beitrag von Singvögelchen »

Liebe Leute,

habe am Wochenende zufällig während des Trompeteübens einen höchst interessanten Podcast gehört (sollte man eigentlich gleichzeitig nicht machen, habe dann auch das Üben besser mal kurz unterbrochen... :D )

Kurzzusammenfassung, sollte diese Sendung irgendwann nicht mehr abrufbar sein: in der Sportmedizin wird zunehmend der Fokus auf die Kaumuskulatur und das Kiefergelenk gelegt, weil diese kräftigste aller menschlichen Muskulaturen am Beginn der Muskulaturkette einen unübersehbaren Zusammenhang mit allen weiteren möglichen Verspannungen/Verkrampfungen bildet.
Im Sport geht es dann halt um hundertstel Sekunden, Podestplätze und viel Geld, evtl auch um ein gesundes Leben nach der Profikarriere.

Kurz um die Ecke gedacht, für die Musik gibt es da deutliche Parallelen: vor allem im Gesangsunterricht wird häufig darauf geachtet, dass die Unterkiefer eben nicht fest oder verbissen sind, weil es dann auch nicht mehr frei klingen kann. Für jeden Vokal, jede Tonhöhe, jede Lautstärke findet sich da immer eine optimale Position, wenn man die notwendige Flexibilität an diesem Punkt zulässt.
Häufig bei (mittelmäßigen) Dirigenten zu beobachten: sie stehen irgendwie auf Zehenspitzen und wedeln mit den Armen...da weiß man, dass das nur der äußerste Punkt aller ihrer Verspannnungen (Atmung, Hals, Kiefer) ist, den man dann noch deutlich sehen kann. Wenn du da hoffst, einen schön geatmeten Einsatz zu bekommen, bist du geliefert. Da musst du mindestens einen ganzen Takt vorher vollatmen, um dann selbstständig deinen Ton an die richtige Stelle zu nageln.

Allgemein für uns Trompeter: das Problem gibt es schon immer, wird auch seit den allerersten Trompetenschulen hin und wieder erwähnt, aber ist in der Methodik niemals in den Vordergrund gelangt. Völlig vernachlässigtes Thema. Richtig standardisierte Übungen kenne ich dafür keine, und ich kenne einiges an Schulen. Aber ich weiß aus eigener schmerzhafter Erfahrung, wie es sich anfühlt, besonders hoch/laut/schnell usw. spielen zu wollen und so nach und nach wird alles fest und fester...das sind nicht nur die gequetschten Lippen, nein, das ganze System verbeißt sich und da hat das Kiefergelenk einen entscheidenden Anteil dran.
Vielleicht hat ja der ein oder andere ähnliche Erfahrungen gemacht, bin gespannt auf eure Erkenntnisse zu diesem Thema...
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


"Blas schön rein, dann kommts schön raus!"
blechfan
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Re: Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Beitrag von blechfan »

Hui, das ist ein weites und schwieriges Thema, das Du da angehst ...
Störungen des Kausystems sind weit verbreitet, und das nicht nur unter (Blech-) Bläsern. Es sind verschiedene Erkrankungen der Kaumuskulatur, der Kiefergelenke, des Zusammenbisses von Ober- und Unterkiefer, aber auch psychische Komponenten, die einzeln oder auch kombiniert auftreten können.
Der medizinische Oberbegriff dafür ist CMD =Cranio-Mandibuläre-Dysfunktion. (Cranium = Schädel, Mandibula = Unterkiefer).
Wer sich dafür interessiert: Hier ist mal ein Link zu einem nicht schlechten, für Laien nachvollziehbaren Artikel:
https://www.netdoktor.de/krankheiten/cmd/

Die Beanspruchung der Kopfmuskulatur, sowohl der mimischen als auch der Kaumuskulatur, durch das Blasen, kann natürlich sowieso schon vorhandene Probleme noch verstärken. Aus meiner Sicht sollte man dem gesamten System möglichst viele entspannte Phasen gönnen.
Ganz wichtig ist dabei, morgens nicht verspannt aufzuwachen. Deshalb: nächtliches Knirschen unbedingt abstellen, eine entspannte Schlafhaltung einnehmen (passende Matratze und Kopfkissen!) und drittens sich dran erinnern, dass der Mensch kein Wiederkäuer ist. Wer täglich mehrere Stunden Kaugummi traktiert, braucht sich nicht wundern, wenn alles verspannt ist ...
Soviel mal zum Einstieg.
Gruß blechfan
Tacet
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Re: Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Beitrag von Tacet »

blechfan hat geschrieben: Mittwoch 31. Januar 2024, 16:01 Wer täglich mehrere Stunden Kaugummi traktiert, braucht sich nicht wundern, wenn alles verspannt ist ...
Soviel mal zum Einstieg.
Gruß blechfan
Kaugummikauen ist eine sehr einfache und effektive Übungen gegen Verspannungen und Schmerzen im Gesichtsbereich. Auf die Dauer kommt es an, stundenlanges Kauen ist natürlich sehr schädlich...Haben angeblich schon die alten Ägypter g
blechfan
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Re: Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Beitrag von blechfan »

Sorry, Leute, hab ich Euch mit meinem Post erschlagen? Ich wollte keineswegs die Diskussion abwürgen. Aber die Problematik ist schon sehr speziell und wird durch den von Singvögelchen gelinkten Podcast nicht wirklich erhellt. Ich habe deshalb mal im Internet gesucht, ob es dazu was brauchbares gibt und habe folgendes Video gefunden:
https://www.youtube.com/watch?v=t1ee9yGsrpA
Das gibt einen sehr guten Einblick, anschaulich wird die Verknüpfung von Zahnproblemen mit dem "Restkörper" dargestellt.
Und diese dargestellten Probleme tauchen bereits bei nicht blasenden Menschen auf. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Bläserei sich ganz erheblich auf die "Balance" des Systems auswirkt. Bevor man da mit irgendwelchen Übungen anfängt, sollte vorher erst mal eine sehr sorgfältige Ist-Analyse erfolgen ...
Gruß blechfan
Singvögelchen
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Re: Kiefergelenk/Kaumuskulatur

Beitrag von Singvögelchen »

Hallo Blechfan,

vielen Dank für deine fachlich optimalen Beiträge. Nein, du hast die Diskussion nicht abgewürgt, in meinem Fall habe ich erstmal eine Weile reflektiert und praktisch rumprobiert.
Wie man am Beispiel mit dem Kaugummi schon sehen kann, gibt es ja erhebliche Interpretationsspielräume, jeder bewertet das individuell verschieden. Wo Einer anfängt zu entspannen, baut der Nächste bereits einen Muskelkater auf.
Meine Intention war anfangs auch gar nicht so medizinisch gemeint. Ich hatte in meinem ersten Link den Zusammenhang von Kieferverkrampfung in Zusammenhang mit sportlichen Höchstleistungen sehen (wollen), und der sportliche Aspekt beim Trompetespielen ist ja kaum zu verleugnen. Für mich halt die Frage, ob ein übertriebenes (punktuell falsches, verspanntes) Trompeteüben die Ursache für CMD sein kann oder eben andersrum, ob eine bereits vorhandene CMD ein entscheidender Grund für viele ansonsten begabte Musiker (Lippen, Finger, Lunge, Gehör...alles top) ist, warum sie mit der Trompete keinen Fuß auf die Erde kriegen. Die Entfernung zur Ansatzmuskulatur und zum Zungenmuskel ist ja verschwindend gering.

Passend zum Thema erinnere ich mich an eine Übung für verkrampfte Bläserschüler, wo mithilfe zweier Korkscheibchen, zwischen die Backenzähne geklemmt, ein vollständig neues Körpergefühl im Ansatzbereich hergestellt wird. Sehr effektiv, auf den Kork kann man dann innerhalb kürzester Zeit verzichten. Wie im Video gesehen, hat das Kiefergelenk einen erheblichen Spielraum. Da bleibt nun noch die Frage, ob diese Position fixiert sein sollte für alle Lagen und Lautstärken oder ob dort Flexibilität angebracht ist.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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