Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Ansatzfragen, Welche Methode ist die beste,
Probleme, Gundlegende Techniken etc.

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GT-Karl
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von GT-Karl »

FLH hat geschrieben: Mittwoch 23. November 2022, 16:29
git es da noch eine andere funktionierende Methode? :question:
Na ja, früher "hing" meine Zunge irgendwo im Mund herum und ich stieß mit der Zungenspitze am Gaumenrand der oberen Zahnreihe an. Ob es noch andere, funktionierende, Arten gibt kann ich also nicht sagen.

Aber ich pflichte Forumskollegen Singvögelchen zu, interessante Diskussion! Ein wenig kommt es mir aber auch wie das "Henne-Ei" Problem vor. In "Gods own Country" auf der anderen Seite des Atlantiks beobachte ich seit Jahren in den entsprechenden Foren den fast schon als Glaubenskrieg zu sehenden Streit zwischen der Chops- und der Air- Fraktion. Dabei habe ich das Gefühl, es handelt sich einfach nur um zwei Seiten derselben Medaille und man merkt es nur nicht! Das dürfte hier bei dem "Zungenthema" ähnlich sein. Der Einfluss der Zunge dürfte so ziemlich von Allen anerkannt sein, welchen Stellenwert jeder Einzelne ihrer Funktion im System "Trompete spielen" beimisst ist offenbar sehr unterschiedlich. Bunte Trompetenwelt....gut so!

Gruß

Karl
Alextrumpet
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Alextrumpet »

Ich finde diese Erklärung ziemlich einleuchtend:
https://trumpetscout.de/what-is-what-de ... li-effekt/

Im Endeffekt wird es ein Mischung aus beidem sein: Die Zunge wandert nach oben und sorgt dadurch für eine höhere Fließgeschwindigkeit, wodurch die Lippen wegen des Bernoullieffekts schneller geschlossen werden, aber auch schneller wieder aufgedrückt werden. Eine Verkleinerung der Lippenöffung hilft dabei, weil dadurch der Weg zum verschließen und öffen der Lippe kürzer ist und schneller vonstatten gehen kann.

Ich kann mir aber tatsächlich nicht vorstellen dass jemand ein e3 spielen kann mit der Zunge komplett im Keller. Da würde mich ein Experiment mit Ultraschallbild o.Ä. interessieren. Ich könnte mir vorstellen dass sich bei vielen die Zunge unbewusst bewegt, denn viele Bewegungsabläufe der Zunge finden unbewusst statt. Beim Essen bewegt sich die Zunge unfassbar viel, aber für gewöhnlich bemerkt man davon überhaupt nichts zum Beispiel.

Am Ende des Tages ist es ja auch nicht soo wichtig, solange es am Instrument und beim Unterrichten gut klappt :)
GT-Karl
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von GT-Karl »

Alextrumpet hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 10:58
Ich kann mir aber tatsächlich nicht vorstellen dass jemand ein e3 spielen kann mit der Zunge komplett im Keller. Da würde mich ein Experiment mit Ultraschallbild o.Ä. interessieren. Ich könnte mir vorstellen dass sich bei vielen die Zunge unbewusst bewegt, denn viele Bewegungsabläufe der Zunge finden unbewusst statt. Beim Essen bewegt sich die Zunge unfassbar viel, aber für gewöhnlich bemerkt man davon überhaupt nichts zum Beispiel.

Am Ende des Tages ist es ja auch nicht soo wichtig, solange es am Instrument und beim Unterrichten gut klappt :)
Deinem letzten Satz stimme ich gerne zu :gut: !

Aber wie ich bereits in einem meiner früheren posts behauptet habe, den Beweis trete ich an: e3 mit flach im Unterkiefer liegender Zunge! Aber dass die Analogie mit der Beschleunigung der Luft zur Lippenöffnung hin durch eine angehobene Zunge richtig ist, lässt sich nmM. leicht widerlegen (finde ich). Spiele einfach ein e3 so wie du es gewohnt bist (mit angehobener Zunge), halte die Luftunterstützung (ja, sehr wichtig) und die Spannung der Ansatzmuskulatur konstant ....und senke die Zunge komplett ab! Fällt dein Ton dann auf ein c1 ab?

Ich will hier gar nicht so weit ins Eingemachte gehen, aber bei all diesen Analogien (Wasserschlauch mit Finger zuhalten etc.) wird wohl immer außer Acht gelassen, dass es sich bei Atemluft nicht um ein Newtonsches Fluid handelt. Luft ist kompressibel!!

Welch ein Glück, sonst könnten wir nur sehr kurze Passagen spielen ohne erneut einzuatmen :oops: ! Das "wirksame" Ventil, wie beim Luftballon, ist und bleibt der Lippenspalt (beim Luftballon ist es der mit den Fingern gespannte kleine Schnorchel). Ich habe oft den Eindruck man stellt sich vor, die eingeatmete Luft "bläst" wie ein Sturm durch die unteren Atemwege, den Hals und Rachen über die Zunge zum Ausgang hin und wird dabei zum Schluss noch kräftig beschleunigt bevor sie endlich auf die Lippen trifft um diese zum Schwingen anzuregen!

Ich gebe zu, ich habe da eine andere Vorstellung im Kopf und ich habe auch noch keine Unterdruckbeule auf der dem quikenden Auslass gegenüberliegenden Seite des Luftballons beobachtet. Meine Vorstellung (und ich behaupte nicht die Weisheit gepachtet zu haben) ist eher, die im Atemtrakt komprimierte Luft bewegt sich erst ganz kurz vor der Auslassöffnung (bei geöffnetem Ventil) mit einer beschleunigten Bewegung und erzeugt beim plötzlichen Öffnen dieses Ventils augenblicklich eine Schwingung am Oszillator die vom System Mundstück/Trompete zu einem Ton verstärkt wird .....!

Gruß

Karl
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Bixel »

Alextrumpet hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 10:58Ich kann mir aber tatsächlich nicht vorstellen dass jemand ein e3 spielen kann mit der Zunge komplett im Keller.
Gelingt mir problemlos, G3 geht auch; würde ich "im Alltag" aber nicht machen wollen, weil die dafür notwendige kompensatorische Mehrbelastung von Rumpfmuskulatur und Ansatzmaske erheblich "Körner kostet", wohingegen die Verformung der Zunge eine quasi kalorienneutrale Tätigkeit ist.

Noch höher hinaus geht es übrigens bei sog. Mundhöhlentönen, bei denen ja die Zunge gaaanz unten hinten startet und wie der Stempel einer Spritze das Luftvolumen der Mundhöhle durch die Lippenöffnung nach außen presst.

Wie schon zuvor einmal beschrieben, kaufe ich die Deutung der Zungenfunktion als Luftdruck und -geschwindigkeit regelndes Ventil nicht, weil Theorie und Praxis dagegen sprechen. Die Zungenwölbung ist - weil kalorienneutral - ein Geschenk, welches nutzen sollte, wer an ökonomischem Blechblasen interessiert ist. Die Zungenwölbung ist blechbläserisch aber keine Conditio sine qua non.
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Jamer »

Singvögelchen hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 09:39 Wie unsere Nicknames verraten, kommen wir beide aus den gegensätzlichsten Stilrichtungen. Es ist okay, dass wir bei grundverschiedenem Repertoire zentrale Dinge verschieden wahrnehmen bzw. interpretieren.
Meine "Erkenntnis" (uralt in Wirklichkeit) ist eben, dass die Lippenöffnung nicht vollständig öffnet und schließt, sondern nur die äußerste gut gespannte Hautmembran die Schwingung ins Instrument weiterleitet, dann wird es nämlich zur "Polsterpfeife". Wer allerdings mit den Bildern vom kochenden Wassertopf mit klapperndem Deckel versucht, sich die Lippenschwingung vorzustellen, der hat halt einen extrem anstrengenden Weg vor sich. Es geht deutlich leichter und klingt halt auch viel schöner mit weniger Druck auf dem Kessel.
Ich glaub unsere Stilrichtungen sind garnicht so grundverschieden: Ich spiele wenig bis garkeinen Jazz (nur ab und zu Big Band), sehr viel Orchester, symphonische Blasmusik sowie klassische alpenländische instrumentale Tanzlmusig und hin und wieder in böhmisch/mährischen Formationen. Auch gelegentliche Ausflüge ins Brass Band-Segment kommen vor. Vom Equipment her spiele ich fast ausschließlich Drehventilinstrumente (Mundstück Yamaha 16e4 - für buzzingübungen nehm ich aber ein kleines, flaches) außer in der Big Band, wo ich zu einer adjustierten Yamaha 3335 zurückgreife. Ich hab eine klassische Ausbildung genossen, noch nach altem Lehrmuster, sprich: Bauch raus, Luft rauspressen und wenn was nicht klappt, liegts an der Stütze usw.. Und ja, die Zunge sei wichtig. Mit all diesen falschen Angewohnheiten kann man trotzdem ein solides Niveau erreichen.

Erst als ich diesen Weg unter Anleitung eines kompetenten Lehrers verließ, konnte ich mich vor einigen Jahren weiterentwickeln. Mittlerweile hab ich Elemente von "BE" und Bixels "setpoint" in meinem Übungsprogramm drin und ich merke immer mehr, wie wenig Einfluss die Zunge eigentlich auf die Tonhöhenregulierung hat, während die Lippenkoordination oder -geschicklichkeit mMn. der Hauptakteur in der Tonhöhenregulieren ist. Das musste ich aber auch erst "erfühlen", dann stehen einem sehr viele Möglichkeiten auf der Trompete offen. Vor allem wird das Trompetenspiel dann "einfacher" und "müheloser", der Klang freier.

Eigentlich hab ich in meinem letzten Beitrag eh schon alles zum Thema gesagt. Ich hab bisher jedenfalls noch keinen Trompeter gesehen, der beispielsweise einen "simplen" g1 - g2 Intervallsprung nur mit der Zunge macht, ohne dass sich die Lippenspannung/Lippenposition/Lippenöffnung und damit Virbationsfläche verändert. Und wenn die Bewegung auch nur minimal zu sein scheint - ich glaube das ist das entscheidende Element beim Trompetenspielen und nicht die Position der Zunge, weil eben die Hauptarbeit bzw Vibrationsgeschwindigkeit stets an der engsten Stelle des Luftflusses verrichtet wird und das ist nunmal die Lippenöffnung. Die Zunge versorgt die Lippenöffnung weder mit Luft, noch vibriert sie: Daher ist die Zunge für mich im besten Fall ein unterstützendes Ventil in der Tonhöhengestaltung (Verkleinerung bzw Vergrößerung des Resonanzraumes) aber nie der Hauptakteur. Alles andere würde auch nach meinem physikalischen Verständnis wenig Sinn machen, ich lasse mich aber bei entsprechend nachvollziehbarer Argumentation gerne vom Gegenteil belehren.

Dein Beispiel mit dem Kochtopf erschließt sich mir nicht ganz, da durch die Lippenöffnung die Luft ja sehr gut entweichen kann und das Trompetenspiel ja eigentlich mit wenig Luft (Menge!) auch sehr entspannt und über einen großen Range funktioniert. Aber vl. kannst du das näher ausführen.

MfG
Jamer

Ps.: Kollege Bixel ist mir jetzt eh mit einem tollen Post zuvorgekommen und Beschreibt in aller Kürze, warum die Zunge nur ein "unterstützendes Ventil" in der Tonhöhenregulierung sein kann und keinesfalls der Hauptakteur - danke dafür, so schön hätte ich es in aller Kürze nicht ausdrücken können:
Bixel hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 12:53 Wie schon zuvor einmal beschrieben, kaufe ich die Deutung der Zungenfunktion als Luftdruck und -geschwindigkeit regelndes Ventil nicht, weil Theorie und Praxis dagegen sprechen. Die Zungenwölbung ist - weil kalorienneutral - ein Geschenk, welches nutzen sollte, wer an ökonomischem Blechblasen interessiert ist. Die Zungenwölbung ist blechbläserisch aber keine Conditio sine qua non.
Ps.2: Ich finde die Diskussion ebenfalls sehr interessant und würde mich freuen, wenn noch andere Personen, welche der Zunge die Hauptrolle in der Tonhöhenregulieren zuschreiben, äußern würden und ihre Erfahrungen/Argumente niederschreiben. Davon dürfte es genug geben. Ich möchte diese Sichtweise nämlich wirklich gerne nachvollziehen und verstehen können.
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Singvögelchen »

Jamer hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 13:05 Ich glaub unsere Stilrichtungen sind gar nicht so grundverschieden.
:gut: cool, breit aufgestellt, das gefällt mir sehr.

Zu dem (blöden) Beispiel mit dem Klappertopf kann ich nur sagen, dass man damit jemandem eine leise Ahnung der Lippenschwingung erklären kann, der noch nie in eine Trompete gespielt hat und der denkt, die Ventildrücker funktionieren wie Klaviertasten. Aber genau dieses Beispiel verwenden immer noch namhafte Pädagogen.

Es erweckt halt den (meiner Meinung nach völlig verkehrten) Eindruck, dass die Lippenschwingung ausschließlich durch permanentes Öffnen und (vollständiges) Schließen erreicht wird. Also ca 50% der Spielzeit wäre dann ja die Lippe verschlossen...das wollte mir noch nie einleuchten, deshalb bin ich auf die Oberflächenschwingung der äußersten Lippenschleimhaut gekommen, eigentlich plausibel. Mal angenommen, die Öffnung ist 1 Millimeter groß und die Amplitude der schwingenden Hautschicht vielleicht ein oder zwei Hundertstel davon (nagelt mich jetzt bitte nicht auf exakte Zahlen fest, die gibt es schlicht noch nicht), dann kann die Luft frei und ungehindert fließen (wovon immer alle reden...) und dann kann eben diese Oberflächenschwingung exakt in der Frequenz der durchfließenden Luft (die hat ihre Frequenz aus dem Resonanzraum Mundhöhle schon bekommen) die Schwingungen so verstärken, dass durch Mundstück und Instrument ein Klang gebildet wird. Die Luft reibt sich an der Stelle ähnlich wie ein mit Kolophoniumharz behandelter Bogen an der Geigensaite und bringt sie dadurch erst zum Schwingen.

J. E. Altenburg: "...die Athemluft wird erschüttert..." :D recht hat er gehabt :gut:

Um noch auf einen anderen Post einzugehen: die Vokabel Luftgeschwindigkeit mag ich gar nicht verwenden, weil mir da absolut die Überprüfbarkeit fehlt. Zunge als Ventil bei der Artikulation ist unstrittig. Die Resonanzraumsteuerung ist aus meiner Sicht keine Ventilfunktion. Einzig das Volumen entscheidet über die entstehende Tonhöhe, wo wir wieder beim Pfeifen wären. Und Pfeifen tut es, weil da die Lippe nicht schwingt, sondern die Luft durch die gespitzten Lippen so verwirbelt, dass Töne entstehen.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Bixel »

Singvögelchen hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 18:48Es erweckt halt den (meiner Meinung nach völlig verkehrten) Eindruck, dass die Lippenschwingung ausschließlich durch permanentes Öffnen und (vollständiges) Schließen erreicht wird. Also ca 50% der Spielzeit wäre dann ja die Lippe verschlossen...das wollte mir noch nie einleuchten...
Du meinst, die Zeit einer Schwingungsamplitude der Lippenöffnung besteht zu 50% aus komplettem Verschluss und zu 50% aus maximaler Öffnung, es handele sich also um ein digitales Geschehen (im Sinne von An/Aus)? :|
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Singvögelchen »

Nein, das überinterpretierst du.
Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass sie nicht komplett schließt.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Jamer »

Singvögelchen hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 18:48
Zu dem (blöden) Beispiel mit dem Klappertopf kann ich nur sagen, dass man damit jemandem eine leise Ahnung der Lippenschwingung erklären kann, der noch nie in eine Trompete gespielt hat und der denkt, die Ventildrücker funktionieren wie Klaviertasten. Aber genau dieses Beispiel verwenden immer noch namhafte Pädagogen.
Ich find das Beispiel mit den Klappertopf schlecht, weil es das “überkochen" assoziiert und dass sich die Lippenöffnung öffnet und schließt. Aus meiner Sicht sollte die Lippenöffnung beim Spielen immer konstant offen sein - die Größe der Lippenöffnung und damit die Vibrationsfläche der Lippen muss aber je nach Ränge & Lautstärke kontrolliert und koordiniert werden. Das machen im übrigen ausschließlich die Lippen und nicht die Zunge.

Zum Thema Pfeifen: Wenn ich einen hohen Ton pfeife, ist meine Lippenöffnung minimal kleiner als in der "Normallage". Außerdem kann man mMn. das Pfeifen schwer mit dem Trompetenspielen vergleichen, da dort die Tonerzeugung mittels Lippenschwingung erzeugt wird, während beim Pfeifen die Luftverwirbelung den Ton entstehen lassen. Das ist ist eine völlig andere Baustelle und das erinnert mich mehr an das Flötenspiel, bei welchen der Resonanzraum durchaus eine übergeordnete Rolle spielen dürfte.

Um eine Lippe zum Schwingen zu bringen, ist ein andere Energieein- & Umsatz von Lippenspannung und Luftführung erforderlich. Da der Ton hier nicht durch Luftverwirbelung wie beim Pfeifen entsteht, sondern durch eine Vibrationsfläche, ist mMn folglich auch der Einfluss des Resonanzraumes (welcher durch die Zunge kontrolliert werden kann) vor dem Ort des Geschehens (= Lippen) wesentlich kleiner.
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Hochwälder »

Es ist sicher richtig, dass die ein oder anderen kreativen Denkmodelle das Spielen auf der Trompete positiv beeinflussen können.
Das Modell der offenen, nicht schließenden Lippe kann für einen schönen, offenen Ton als visulle Stütze sicher hilfreich sein.
Auch das Pfeifen kann den Einfluss der Zunge auf die Tonhöhenveränderung akustisch demonstrieren oder gedanklich visualisieren.

Dass die Lippe sich schließt ist aber doch mittlerweile eindrucksvoll erwiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=rkud0WhnMGQ

Wenn der Ton bei dauernd geöffneter Lippe durch "Oberflächenschwingung der äußersten Lippenschleimhaut" entsteht würde, bekäme kein Mensch einen Ton raus. Tonbeginn ist immer die geschlossene Lippe. Natürlich hat man beim Spielen das Gefühl, dass die Lippe offen ist, aber der Schein trügt ....
Wie gesagt, als zusätzliche Denkanstöße mögen solche Krücken helfen, aber Märchen möchte ich von meinem Lehrer nicht erzählt bekommen.
Aber alles auch nur meine Ansicht :mrgreen:
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Jamer »

Hochwälder hat geschrieben: Freitag 25. November 2022, 08:53 Es ist sicher richtig, dass die ein oder anderen kreativen Denkmodelle das Spielen auf der Trompete positiv beeinflussen können.
Das Modell der offenen, nicht schließenden Lippe kann für einen schönen, offenen Ton als visulle Stütze sicher hilfreich sein.
Auch das Pfeifen kann den Einfluss der Zunge auf die Tonhöhenveränderung akustisch demonstrieren oder gedanklich visualisieren.

Dass die Lippe sich schließt ist aber doch mittlerweile eindrucksvoll erwiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=rkud0WhnMGQ

Wenn der Ton bei dauernd geöffneter Lippe durch "Oberflächenschwingung der äußersten Lippenschleimhaut" entsteht würde, bekäme kein Mensch einen Ton raus. Tonbeginn ist immer die geschlossene Lippe. Natürlich hat man beim Spielen das Gefühl, dass die Lippe offen ist, aber der Schein trügt ....
Wie gesagt, als zusätzliche Denkanstöße mögen solche Krücken helfen, aber Märchen möchte ich von meinem Lehrer nicht erzählt bekommen.
Aber alles auch nur meine Ansicht :mrgreen:
Danke für diesen Beitrag und dem Video. Den Kollegen Bertsch kenne ich eh ein wenig.

Damit bestätigt sich für mich umso mehr, dass die Lippenschwingung & die Luftführung die Hauptarbeit verrichten und die Resonanzraumveränderung durch die Zunge beim Trompetenspielen zwar hilfreich sein kann, aber eine eher eine untergeordnete Rolle bei der Tonhöhenregulierung spielt.

MfG
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Singvögelchen »

Hochwälder hat geschrieben: Freitag 25. November 2022, 08:53
Dass die Lippe sich schließt ist aber doch mittlerweile eindrucksvoll erwiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=rkud0WhnMGQ
Am Video selbst habe ich nichts auszusetzen, interpretiere es aber komplett gegensätzlich. Als ich so etwas vor Jahren zum allerersten Mal gesehen habe, war ich auch komplett fasziniert. Das hat sich allmählich geändert, weil es mir leider nicht weitergeholfen hat.

Wie man zu Beginn und am Abspann sieht, handelt es sich höchstens um eine normale Zeitlupe, die in etwa den Ablauf halbiert. Daher auch der verzerrte und nach unten oktavierte Trompetenklang, wenn man das noch so nennen kann. Halt wie wenn man früher die Schallplatte mit dem Finger gebremst hat.
Ich gehe davon aus, dass die im Hintergrund zu hörenden Töne life mit exakt diesen schwingenden Lippen gespielt sind.
In ca 16 Sekunden Spieldauer sehe ich ganze 8!!!Lippenverschlüsse, ca aller 2 Sekunden einer, ziemlich egal in welcher Tonlage. Auf normale Geschwindigkeit hochgerechnet ca ein Verschluss pro Sekunde. Der eingeblendete Text mit 233 Kisses per second ist Blödsinn. Der original gespielte Ton müsste dann etwa 5 oder 6 Oktaven höher gewesen sein. Glaub ich nicht.

Meine Schlussfolgerung daraus: diese Art von regelmäßigem Verschluss kann nicht die Ursache für Frequenzen im Hunderter- und Tausenderbereich sein.
Dazu brauchte man die exakten Daten mit einer Superzeitlupe, 440 Verschlüsse in einer Sekunde beim A1 aufzuzeichnen. Die entsprechenden Angaben wurden entweder bewusst unterschlagen oder es gibt sie schlicht nicht. Für mich nicht wirklich seriös.

Im Bereich der Unterlippe erahnt man aber entweder bei der Speichelschicht oder auf der obersten Schleimhaut die von mir genannten Miniwellen. Rohre und Blätter bei Holzbläsern schwingen übrigens auch nur gut eingeweicht, da kommen mir gerade noch ganz neue Ideen...nass vs trocken oder eben sehr nass vs nur wenig feucht...werde ich mal beobachten in nächster Zeit.

Das, was hier erstmal an wulstiger Wellenbewegung der beiden Lippen zu sehen ist, kann man vielleicht mit dem natürlichen, jedem Bläser eigenen, Tremolo/Vibrato in Verbindung bringen. Da wäre eine Gegenüberstellung zweier klanglich gegensätzlicher Trompetertypen mal richtig aufschlussreich.
Weil aber der youtuber nur mit seinen eigenen Trompeterfähigkeiten "forscht", werden die Ergebnisse sich im Kreis drehen.

Die im Video zu sehenden Verschlüsse reichen für eine Tonfrequenz im Leben nicht aus, aber für die individuelle Klangfarbe vermute ich da einen großen Effekt. Der typische Anfängerton mit vielen Geräuschen und noch nicht optimal gespannter Lippe hat da sicher viel mehr Verschlusspotenzial, u.a. auch dadurch, weil man ihm ja erklärt hat, wie die Lippenschwingung zu funktionieren hat...mit baldigem Vergessen dieser Anweisung, reichlich Zuhören und Nachahmen, Zusammenspielen mit guten Leuten sollte die Feinspannung höher, der Klang klarer und die Lippenöffnung dauerhaft offen gehalten werden.

Soweit für dieses Wochenende, jetzt beginnen die Advents/Weihnachtsmuggen...wenig Zeit, hier noch viel zu schreiben. Ich bin echt begeistert, wie kultiviert es diesmal hier abgegangen ist.
Wünsche euch allen eine schöne Zeit, muss jetzt zum Weihnachtsmarkt :D
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Bixel »

Singvögelchen hat geschrieben: Freitag 25. November 2022, 16:26Wie man zu Beginn und am Abspann sieht, handelt es sich höchstens um eine normale Zeitlupe, die in etwa den Ablauf halbiert. Daher auch der verzerrte und nach unten oktavierte Trompetenklang, wenn man das noch so nennen kann. Halt wie wenn man früher die Schallplatte mit dem Finger gebremst hat.
Ich gehe davon aus, dass die im Hintergrund zu hörenden Töne life mit exakt diesen schwingenden Lippen gespielt sind.
In ca 16 Sekunden Spieldauer sehe ich ganze 8!!!Lippenverschlüsse, ca aller 2 Sekunden einer, ziemlich egal in welcher Tonlage. Auf normale Geschwindigkeit hochgerechnet ca ein Verschluss pro Sekunde. Der eingeblendete Text mit 233 Kisses per second ist Blödsinn. Der original gespielte Ton müsste dann etwa 5 oder 6 Oktaven höher gewesen sein. Glaub ich nicht.
Das Video zeigt keine Zeitlupe, sondern eine Stroboskop-Aufnahme.
Über den Unterschied kannst du dich sicherlich selbsttätig informieren.

Die Art und Weise, wie du dich physikalischen Erkenntnissen naiv zu widersetzen versuchst, wird mir zunehmend (zu) anstrengend. Wenn ich du wäre, würde ich einfach weiter Trompete spielen (denn das funktioniert ja bestens, wie man weiß) und Threads wie diesen meiden. Du kannst da trompeterisch eigentlich nur Schaden nehmen. :idea:
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von doc_trumpet »

... kleine Ergänzung: https://www.youtube.com/watch?v=MWcOwgWsPHA
Aber sicherlich werden jetzt einige "Schlaumeier" schreiben, daß Horn spielen ja mit Trompete spielen nicht zu vergleichen ist :)
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Re: Zunge beeinflusst Tonhöhe. Wirklich? Und wie?

Beitrag von Laender »

Bixel hat geschrieben: Mittwoch 23. November 2022, 07:28 Wenn ich vom G1 kommend meine Zunge gewohnheitsmäßig so verforme, als wolle ich zum C2 hinauf binden, mich gleichzeitig aber dazu zwinge, das G1 beizubehalten (statt zum C2 "umzuklappen"), vergrößere ich geringfügig meine Lippenöffnung und verringere zudem leicht den Luftstrom ("Druck"). Das G1 klingt dann leiser und nasaler ("dünner").
Vielleicht hilft das jemandem mit ähnlichen Problemen: Nach tagelangem Rumprobieren tut sich anscheinend etwas. Zumindest bei höheren Tönen auf dem Mundstück lässt sich die Tonhöhe nach oben beeinflussen, wenn die Zunge sich wölbt und der Luftdruck (Stütze) sich gleichzeitig erhöht - bei voller Konzentration darauf, die Lippenspannung möglichst nicht zu verändern (sonst wäre es ja wieder meine alte Methode). (Das deckt sich ja mit Bixel's Erklärung, dass die Zunge nicht alleine die Tonhöhe verändern kann.) Im Vergleich dazu muss die Lippenmuskulatur mehr arbeiten, wenn die Zunge bei gleicher Tonhöhenänderung inaktiv bleibt. In der Mittellage sehe ich leider immer noch keinen (zumindest wahrnehmbaren) Einfluss der Zunge. Mein Fehler in der höheren Lage lag offenbar darin, dass die Zunge im hinteren Mundhöhlenbereich fix unten lag (Gähnstellung) und ich versucht habe, im vorderen Bereich "asasas" zu artikulieren. Was Wirkung gezeigt hat ist eine Tendenz zur "i"- bzw. "ch"-Stellung, dann bringt auch "asasas" weiter vorne einen Effekt.

GT-Karl hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 11:51 Spiele einfach ein e3 so wie du es gewohnt bist (mit angehobener Zunge), halte die Luftunterstützung (ja, sehr wichtig) und die Spannung der Ansatzmuskulatur konstant ....und senke die Zunge komplett ab! Fällt dein Ton dann auf ein c1 ab?
Jamer hat geschrieben: Donnerstag 24. November 2022, 13:05 Ich hab bisher jedenfalls noch keinen Trompeter gesehen, der beispielsweise einen "simplen" g1 - g2 Intervallsprung nur mit der Zunge macht, ohne dass sich die Lippenspannung/Lippenposition/Lippenöffnung und damit Virbationsfläche verändert. Und wenn die Bewegung auch nur minimal zu sein scheint - ich glaube das ist das entscheidende Element beim Trompetenspielen und nicht die Position der Zunge [...]
Genau wegen dieser Beobachtungen dieser Thread (wenn die Antwort im ersten Zitat "nein" ist).
Die große Bewegung der Zunge überdeckt mMn mikroskopisch kleine, aber zur Tonhöhenregulierung essenzielle, Bewegungen der Lippen. Bisher bleibe ich teilweise bei dieser Einschätzung. Das sieht zwar jetzt wie ein Widerspruch zu dem aus, was ich oben schreibe, aber kann es sein, dass bei durch Zungenwölbung unterstützter Tonhöhenänderung nach oben nach Erreichen des Zieltons die Zunge keine Rolle mehr spielt zum Halten der Höhe und daher z.B. nach unten abgesenkt werden kann, ohne den Ton zu verändern? Ich bilde mir ein, dass die Lippenspannung im Fall zungengestützter Höhenänderung geringer ist, als wenn ich versuche, denselben Ton ohne Zungenwölbung zu erreichen.
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