Schön, dass du Fortschritte machst! Freut mich!
Trotzdem muss ich dir, was das leise spielen angeht, widersprechen. Natürlich sind Trompeten keine Geigen oder Flöten. Und ja, natürlich ist ein kraftvoller Trompetenton, besonders wenn er auch noch hoch ist, sehr schön und das, was uns als Trompeter auch manchmal musikalisch auszeichnet.
Die zugrundeliegende Technik unterscheidet sich eben NICHT zwischen Laie und Profi. Deswegen ist es gerade für uns Amateure (ich selbst bin einer) wichtig die richtige Technik anzuwenden und immer danach zu streben, alles möglichst effizient zu machen.
Profis, egal welches Niveau, spielen nach den exakt gleichen Prinzipien wie wir es tun, das kannst du mir glauben.
Immer wieder höre und lese ich: "Ach, ich bin doch nur Laie. Ich brauche das nicht. Wenn ich meine zweite Stimme einigermaßen spielen kann, bin ich glücklich."
Beneidenswert, wenn man damit langfristig wirklich glücklich ist. Ich wäre es niemals. Meiner Meinung nach sollten wir die Messlatte immer hoch hängen und professionelle Ambitionen haben, gemessen am schönsten, denkbaren Ton. Alles andere macht für mich letztlich keinen Sinn. Das darf aber letztlich auch jeder selbst entscheiden. Aber wenn wir mal ehrlich mit uns selbst sind, glaube ich kaum, dass jemand ernsthafte solche Ambitionen hat bzw. sich das wirklich insgeheim so wünscht.
Ja, wir müssen auch regelmäßig üben, aber das muss jeder. Müssen wir Stunden am Tag üben? Nein. Natürlich nicht.
Effiziente, gut strukturierte 15 Minuten mit klaren, messbaren (smarten) Zielen, können uns definitiv langfristig weiterbringen.
Ich würde mal behaupten, an 5 von 7 Tagen übe ich im Durchschnitt zurzeit nur 10-30 Minuten am Tag, weil es mein Zeitplan kaum anders zulässt. Trotzdem mache ich wöchentlich (!) Fortschritte. Es ist definitiv möglich. Aber eben nur wenn die Ambitionen und Spielkonzepte dahinter stimmen. Sonst kann das nicht funktionieren.
Zur Höhe und Lautstärke:
Erst kommt Koordination und dann kommt Lautstärke. Wer denkt, man könnte seine Höhe ausbauen, indem man nur Laut und mit viel Luft immer wieder ans Limit geht, irrt sich gewaltig.
Man darf sich das wie bei den Kraftsportlern vorstellen:
Ein sog. "Hardgainer" möchte an Muskelmasse zulegen und trainiert mit den schwersten Gewichten, die er heben kann. Nur komischerweise macht er kaum Fortschritte und er hat immer einen Muskelkater. Er denkt, "Oh, ich habe Muskelkater, das war ein gutes, effizientes Training."
Er irrt sich genauso, wie wir Trompeter, wenn wir eine "high note-session" gemacht haben und einfach nicht mehr können, weil unsere Lippen platt gedrückt sind, weil wir zu laut gespielt haben. "Aber es war doch gut, weil ich nicht mehr kann und jedes Mal an die Grenze gehe..." - Falsch.
Der Hardgainer sollte sich auf komplexe Grundübungen konzentrieren und auf richtige Ausführung bei hoher Time Under Tension achten. Das Gewicht sollte er reduzieren, um korrekte Form zu ermöglichen. Langfristig muss er seine Muskeln progressiv überladen (progressive overload) und macht so stets Fortschritte.
Ein wildes und schnelles Hin- und Herbewegen der schweren Gewichte (unsere "high note-sessions"!!!) bringt einfach nichts.
Das Gewicht ist in unserem Fall die Lautstärke. Erst kommt gute Form/Koordination und dann können wir langsam das Gewicht erhöhen, sprich die Lautstärke erhöhen.
Andersrum funktioniert es nicht. Ich durfte das in den letzten 8 Jahren auf sehr frustrierende Art und Weise erfahren.
Mit ein paar long tones in der Mittellage, die flüsterleise sind (whisper tones) und dem grundsätzlichen Herabsetzen der Lautstärke in der Höhe, ist deutlich mehr gewonnen.
Beispiel: Long tones: Tempo 52 auf Viertel: fis1-g1-f1-as1-e1-a1-es1-b1-d1-h1-des1-c2-c1 -> 6-8 Takte aushalten, Pause dazwischen anfangs nach Bedarf, sonst vllt. 2-4 Takte. Lautstärke: pianissimo!
Danach wirst du mehr für deine Höhe getan haben, als in jeder "high note-session", das verspreche ich dir.
Als Vertiefung empfehle ich folgende Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=jn0GnOX4FwM&t=269s
https://www.youtube.com/watch?v=22k_eacohto&t=3s
Die Konzepte sind entscheidend und das WIE. Dann können auch wir Amateure deutliche Fortschritte machen.
Ich will dir um Gottes Willen nichts unterstellen, bitte nicht falsch verstehen. Aber ich beobachte immer wieder Nachlässigkeiten, die wirklich einfach zu lösen sind, wenn man einfach auf ein paar grundlegende Dinge achtet.
Amateure und gute Systematik, Technik und Effizienz sind wirklich kein Widerspruch, im Gegenteil.
Ich hoffe du kannst etwas für dich mitnehmen und wünsche weiterhin viel Erfolg!
Beste Grüße
Jens