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Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Donnerstag 23. März 2017, 22:33
von kornettist
Hallo!

Ich habe mal eine Frage an die erfahrenen Trompeten-Pädagogen hier im Forum, und zwar habe ich eine sehr eifrige, noch sehr junge Schülerin, die ich seit Beginn an unterrichte. Sie hat mit 9 angefangen und bekommt nun schon 3 Jahre Unterricht bei mir. Sie übt sehr fleißig und es macht wirklich Spaß mit ihr, allerdings hat sich seit einiger Zeit ein etwas fehlerhafter Anstoß eingeschlichen und ich brauche mal ein paar Tipps, wie man diese Angewohnheit wieder "glattbügelt"...

Wenn sie mehrere Töne schnell hintereinander anstößt (z.B. Übungen mit Triolen, Sechzehnteln etc.), wackelt ihr Kinn immer mit. Es sieht so aus, als würde sie etwas im Mund kauen und die Töne werden nicht präzise kurz und "trocken" angestoßen. Normalerweise bewegt sich das Kinn ja nicht, wenn man schnelle Tonfolgen angestoßen spielt.

Habt ihr ein paar gute Tipps, wie ich diesen fehlerhaften Anstoß wieder aus ihr herausbekomme? Wie kann ich es ihr beibringen, dass sich beim Anstoßen von Tönen nur die Zunge bewegen soll und nichts anderes? Übrigens fällt es ihr auch schwer, leise Töne zu spielen. Sie spielt generell immer mit voller Kraft und ziemlich laut.

Liebe Grüße
kornettist

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Freitag 24. März 2017, 09:42
von TrompetenKäfer
Dazu gehört erstmal analysiert, WAS sie denn genau tut, damit das Kinn so hüpft. Ich hab grad im Trockentraining ein paar Sachen ausprobiert und am Wahrscheinlichsten vermute ich, dass sie die Zunge irgendwo am Unterkiefer/den vorderen Zähnen anstehen lässt und durch die "Kaubewegung" der Stoß zustande kommt.
Eine andere Variante, die ich reproduzieren konnte, wäre "würgen" mit dem Kehlkopf/dem Gaumensegel. Das führt auch zu deutlichen Bewegungen im Unterkiefer.

Wenn sie keine leisen Töne spielen kann, scheint mir Variante 1 wahrscheinlicher, da ihre Zunge vermutlich im Weg liegt, um die Luft ausreichend sparsam fließen zu lassen, damit auch leise Spielen möglich wird.
Bläht sie die Backen beim Spielen?

Was ich mit ihr sofort mal machen würde, sind Bindeübungen; da zeigt sich sofort, wenn die Zunge falsch arbeitet. Im zweiten Schritt bewusst am Anstoß arbeiten. Ob man hier den traditionellen Weg mit Stoß an den vorderen Schneidezähnen geht, oder auf fixierte Zunge am Unterkiefer setzt, bleibt dir überlassen. Irgendwelche "Sonderlösungen" würde ich nicht anstreben, da sie sehr wahrscheinlich bald wieder anstehen wird, wenn sie das nicht jetzt gleich anständig macht.

Wie sieht der Ansatz aus? Drückt sie sehr stark oder setzt im Lippenrot ein?

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Freitag 24. März 2017, 10:07
von kornettist
Danke für die erste Antwort!
Das ist natürlich sehr schwierig, herauszubekommen, was sie macht, sodass die Bewegungen vom Kinn entstehen. Optimal wäre hier ein Blick in den Mund =)

Die Backen bläht sie beim Spielen übrigens nicht auf (zum Glück!) und ja, ich muss sie gelegentlich darauf hinweisen, dass sie gerade bei hohen Tönen ziemlich andrückt. Sie ist so eine typische Schülerin, die hoch hinaus möchte und einfach nicht warten kann, bis die ganz hohen Töne da sind. Ich muss ihr oft erklären, dass es einige Jahre dauert, bis sich der Ansatz so entwickelt hat, dass man ohne Druck locker hohe Töne spielen kann.

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Freitag 24. März 2017, 21:09
von Miss Trumpet
Mögliche Ursachen:
A) Sie spielt eigentlich ohne Zungenstoß, sondern mit "Lippenstoß" (pü) - dieser ist naturgemäß stark mit Unterlippe und Unterkiefer verbunden. Dazu würden auch deine anderen Schilderungen passen - sie kaschiert z. B. auch durch Kraft und Lautstärke.
B) Der Anstoßpunkt ist falsch und damit auch die Hauptbewegungsrichtung beim Zungenstoß: Anstoßpunkt typischerweise zwischen den Zähnen (oder sogar durch die Zähne durch und auf den Lippen), Hauptbewegungsrichtung vor-zurück statt auf-ab.
C) Ein unwillkürliches Verkrampfen, um besonders schnell zu sein. Dadurch wird ungewollt eine Verbindung von Zunge und Unterkiefer geschaffen.
D) Die Zungenbewegung ist einfach zu groß.

Korrekturmöglichkeiten:
1. Körperwahrnehmung schulen: Mit der Zunge den Mund erkunden, Zähne/Gaumen/Zahnfleisch/Zahnaußenseite/etc. ertasten, Zunge enspannt oder angespannt, Druck gegen bestimmte Stellen, Zunge breit oder schmal ("n" vs. "l"), Lage bzw. "Höhe" der Zunge.
2. Lange Töne bzw. einzelne Töne spielen: Erfühlen und benennen, was genau passiert - z. B. auch durch gezieltes Nachfragen des Lehrers. Erklären, wie es richtig sein sollte.
3. Trockentraining: "tü" sprechen, "tü" stimmlos sprechen, korrekten Anstoßpunkt (Übergangszone obere Schneidezähne zum Zahnfleisch) erfühlen und "einspeichern", ohne Ton nur mit Luft auf Mundstück bzw. Trompete, dann auch mit Ton. Achtung bei der Wahl des Vokals - m. E. n. liefert "ü" die besten Ergebnisse.
4. Muskeltonus der Zunge: Entspannte Zunge = die Zunge liegt breit und flach im Mund und ist dabei rundherum mit dem unteren Zahnbogen in Kontakt. Ggf. "Bild" korrigieren: Schnelligkeit resultiert aus Lockerheit, nicht aus Kraft oder Anpannung.
5. Korrekte Bewegungsrichtung: Resultiert zum Teil bereits aus dem richtigen Anstoßpunkt. Ergänzend dazu: Auf-ab, nicht vor-zurück = Die Zungenspitze darf nie den Kontakt zu den unteren Schneidezähnen verlieren. Dass die Zunge ganz grundsätzlich beim Spielen zurückgezogen wird, ist ein sehr typischer und weitverbreiteter Fehler. Er führt dazu, dass eine Engstelle im hinteren Mundraum (Richtung Rachen/Zäpfchen) produziert wird. Das wirkt sich sehr negativ auf Luftführung, Stimmbänder (Verengung bzw. Verschluss), Zungenstoß, Klangqualität, erhöhter Blaswiderstand sowie in Form von Probleme beim hoch und laut spielen aus. Wenn man es einmal wirklich durchschaut hat, dann erkennt man es als Lehrer recht schnell (und häufig).
6. Korrekte Bewegungsgröße: Wahl des richtigen Vokals (m. M. n. "ü"), nur das vordere Drittel bis Viertel der Zunge soll sich bewegen (auf-ab!). Ziel: So klein wie möglich, so groß wie nötig.
7. Schlicht und ergreifend ein paar einfache Übungen vor dem Spiegel spielen: Ansatzmaske hält Spannung (Kieferöffnung ausreichend & Position des Unterkiefers okay?), nichts darf sich amitbewegen. Bei Kindern verpacke ich das in eine kleine Rahmengeschichte um den Übeanreiz etwas zu steigern und vom Eindruck "Übung = fad" wegzukommen, z. B.: Bauchredner oder Zaubertrick oder "nicht-verraten-wie-du-das-wirklich-machst" oder "beim-Spielen-wie-ein-Profi-aussehen" (= es sieht ganz leicht und mühelos (bewegungslos) aus). Wichtig: Dabei auch die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie sich das klangliche Ergebnis verändert. Ein Aha-Erlebnis bekommt man auch leicht durch eine vorher-nachher-Tonaufnahme.

LG, Miss Trumpet

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Freitag 24. März 2017, 22:12
von Capri
Also ich find s gut, das niemand ihm die Unterkieferbewegungen ausgetrieben hat:

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Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Samstag 25. März 2017, 20:59
von Singvögelchen
Vielen Dank, genau an dieser Baustelle verzweifle ich auch derzeit mit einem Kandidaten. Die vielen guten Anregungen werd ich mir mal ausdrucken...braucht man öfter als man denkt. :gut:

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Sonntag 26. März 2017, 12:01
von Alex093
Vielen Dank auch von mir - ich konnte einige tolle Anregungen für mich mitnehmen :)

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Montag 27. März 2017, 09:45
von maltadvocat
"3. Trockentraining: "tü" sprechen, "tü" stimmlos sprechen, korrekten Anstoßpunkt (Übergangszone obere Schneidezähne zum Zahnfleisch) erfühlen und "einspeichern", ohne Ton nur mit Luft auf Mundstück bzw. Trompete, dann auch mit Ton. Achtung bei der Wahl des Vokals - m. E. n. liefert "ü" die besten Ergebnisse."

Das ist eine gute Idee. Bei meinen "Burba-Übungen" hab ich an mir selbst beobachtet, dass ich beim Vokal "A" unwillkürlich den Unterkiefer senke. Man kann das am Spiegel wegtrainieren, aber für einen Anfänger ist "tü" eine gute und sichere Variante.

Re: Frage an die Pädagogen: Anstoß korrigieren

Verfasst: Montag 27. März 2017, 11:00
von TrompetenKäfer
Habe ebenfalls (an mir selbst) mit dem "Tü" Vokal die effizienteste Variante gefunden.
Einer meiner Mängel war das "herabfallende" Unterkiefer, was durch "Ta" bei mir begünstigt würde, daher einen Vokal wählen, der die Mimik möglichst klein hält.