Liebe Zen-Trompeter und Zen-Trompeter-Skeptiker,
ich spiele erst seit sehr kurzer Zeit und nach sehr langer Pause (es sind fast 20 Jahre) wieder Trompete. Jetzt entdecke ich gerade, was sich im Internet zu dem Thema so tut (vor 20 Jahren schaute man da noch nicht rein, wenn man etwas über Blastechniken erfahren wollte, deshalb ist das jetzt sehr spannend für mich).
Ich muss sagen, dass die Hinweise auf Zen das erste Brauchbare sind, was ich zum Thema "Spieltechnik für Trompeter" im Internet finde. Wenn man sich die Internetseiten von Trompetenlehrern und Trompeten-Ratschlägern so anschaut, gewinnt man schnell den Eindruck, dass Trompetespielen von Trompetern immer noch als "Sport" gesehen wird - und hohe Töne, schnelle Registerwechsel, Bindungen, Ausdauer usw. sind die Disziplinen, in denen man besser oder schlechter sein kann, und wenn man in allem "Weltmeister" ist, ist man auch ein guter Trompeter. Diese Haltung ist und war immer schon unglaublich musik- und kunstfeindlich - und ich glaube auch, dass die wirklich großen Meister auf dem Instrument immer schon anders gedacht haben (wenn sie sich über ihr Können Rechenschaft abgelegt haben).
Trompete wird zwar immer noch von vielen Jugendlichen gespielt, wird aber auch von vielen aufgegeben. Wer die verflixten hohen Töne (sagen wir mal ab g'') nicht bewältigt bzw. trotz regelmäßigen Übens nicht so recht Ausdauer bekommt, dem macht es schnell keinen Spaß mehr - schließlich will man ja auch mal an die richtig tollen Stücke. Insofern trifft FlüTros lapidarer Satz "Fast alle hören wieder auf damit" schon irgendwie zu.
Es geht mir hier nicht um Seelen-Hygiene, aber ich muss doch meine eigene Trompeten-Biographie kurz umreißen: In meiner Schulzeit war ich ein begabter Trompeter, aber, wie ich heute weiß, eher aufgrund meiner musikalischen Vorstellung als aufgrund meiner Technik. Mit 18 kam die große Krise, trotz oder gerade wegen des vielen (vermutlich ziemlich falschen) Übens. Hohe Töne gingen nicht mehr, dann gingen die tiefen nicht mehr, gerade Töne gingen nicht mehr, eigentlich ging gar nichts mehr so richtig, ich war echt verzweifelt. Ich suchte bei verschiedenen Lehrern Rat, stieß auf viel Hilflosigkeit und Unverständnis. Es hieß immer, jaja, der Ansatz. Letztlich wurde ich an einen Schüler des damaligen Mannheimer Trompeten-Professors Günther Beetz verwiesen. Der hat mit mir innerhalb eines Jahres sehr sauber die Beetzsche Methode durchexerziert. Sie hat viel mit Felgenkrais, Alexander-Technik und mentalem Training zu tun - ist dem Zen also durchaus verwandt.
Vieles davon habe ich damals nicht verstanden, oder nur sehr abstrakt. Ich war zu dieser Zeit einfach sehr mit mir selbst und Problemen dieser Lebensphase beschäftigt, als dass ich mich auf dem Gebiet der Trompete plötzlich hätte freimachen können. Nach dem Zivildienst habe ich dann das Trompetespielen aufgegeben, schweren Herzens. Was ich allerdings von diesen intensiven "Trockenübungen" mitgenommen habe, ist, dass ein gutes, freies Trompetenspiel in mindestens ebenso großem Maße eine Sache eines freien Geistes wie eines behende arbeitenden Körpers ist. Für mich der Beweis: Das letzte große Problem, das nach allen technischen Übungen übrig blieb, war, dass sich meine untere Zunge nicht freimachen wollte. Ich konnte deshalb erst ab der mittleren Lage Töne sauber anblasen, ohne Luft vor dem Ton. Tonleitern konnte ich nur aufwärts spielen, nicht abwärts. Es war zum Wahnsinnigwerden. Ich konnte die Zunge nur nach vorne/oben schieben, anspannen, nicht fallen lassen und lockerlassen. Die Zunge ist schließlich ein Organ, das einerseits sehr schwierig bewusst steuerbar ist und andererseits sehr sensibel auf Stress reagiert.
Wenn ich in den Jahren danach doch nochmal zur Trompete griff (selten, fast nie), dann glich dieses Üben einer Meditation. Nicht, weil ich dazu eine Neigung habe - sondern es GING einfach nicht anders. Einfach mal so reinblasen, das funktionierte nicht mehr, es waren zu viele falsche Bewegungsmuster etabliert. Es ging deshalb immer nur darum, ein weit entferntes Gefühl abzurufen, das Verhältnis zwischen Tonvorstellung und Körper zu aktivieren. Das war mir abhandengekommen. Doch es blitzte in kurzen Phasen wieder auf. Denn: Selbst das falscheste Bewusstsein, der am meisten fehlgeleitete Ehrgeiz kann den Körper nicht völlig verbiegen. Passt man einmal kurz nicht auf, schickt man den verbogenen Geist einmal kurz in die Ferien, dann tut der Körper, auch bei komplexen Handlungen, doch wieder das Richtige. Um solche "aus Versehen" sich ereignenden körperlichen Höhenflüge auf Dauer in die Gegenwart des Bewusstseins zu holen, um eine Einheit zu schaffen, dafür sind doch u. a. solche Techniken wie Yoga und Zen da, oder?
Deshalb finde ich es toll, wenn ausgerechnet ein Trompeter von Zen redet. Ich finde mich da selbst sehr wieder. Technische Übungen à la Arban und allen, die danach kamen - die kennen wir alle und die kann sich jeder selbst für seine Zwecke zusammenreimen. Man ist sich ohnehin selbst der beste Lehrer, denn keiner kennt einen besser. Und auch der beste Ansatz, mag er von Malte Burba persönlich zurechtgeknetet sein, nützt nichts, wenn das unbewusste Zusammenspiel der Komponenten nicht funktioniert. Und dieses kann eben nur funktionieren, wenn man sich dem Unbewussten daran irgendwie nähert. Daran ist nichts esoterisch, im Gegenteil.
Was FlüTro auf seiner Seite an Argumenten und Beispielen bringt, leuchtet ein, ohne Einschränkung. Ein Symptom dafür, dass er richtig liegt, ist die Story vom BR-Trompeter Ubald Schneider, der fast nur Mundstück- und Lippenübungen machte. Der Mann hatte einfach Erfahrung im mentalen Training! Und am Ende war er derjenige, der die stärksten Nerven hatte. Großartiges Beispiel! Das zeigt übrigens einmal mehr, dass Trompete zwar ein schwieriges, aber eben ein Musikinstrument ist wie jedes andere und nicht nur etwas für Muskelmänner. Die Anekdoten von den altehrwürdigen Pianisten, die fast gar nicht mehr üben, sondern sich nur auf der Reise zum Konzert konzentriert die Noten anschauen, gibt es zuhauf.
"Die Trompete verführt, ein Ziel anzusteuern." Präzise erkannt, genauso ist es!! Ich bin ganz begeistert von dieser Seite.
Ich bin übrigens auf einem ulkigen Weg zurück zur Trompete gekommen, der genau diese letzte Aussage stützt. Vor 2 Jahren - ich hatte mindestens 12 Jahre quasi überhaupt kein Blechinstrument mehr angefasst und mir ging das alles ziemlich am Liebling vorbei - kam ich in meinem Beruf als Radiojournalist mit dem Thema "Alphörner" in Berührung. Ich lieh mir dann privat eins aus und besuchte einige Workshops. Diesem Instrument kam meine "Meditier-Methode" unglaublich entgegen. Beim Alphorn gibt es dieses "Ziel-Ansteuern" eigentlich nicht. Es gibt keine Literatur, die man unbedingt spielen können muss. Man ist allein mit dieser unglaublichen, krummen und naturgewachsenen Bandbreite an Naturtönen und kann daraus irgendwas machen. Ähnlich versuche ich es mit der Trompete. Über den Weg des Alphorns habe ich daneben neue Ideen für Ansatz und Kraft-Ökonomie und kann, ohne dass ich viel übe, tolle Stücke spielen.
Aber das Meditieren mit dem Instrument (da spielt man AUCH) macht fast mehr Spaß. Und ohne - würde etwas fehlen.
Deshalb: Zen fürs Trompetespielen ist absolut ernst zu nehmen. Danke für den Hinweis!