Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

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TrompeteRT
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Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von TrompeteRT »

Hallo zusammen,

Hakan Hardenberger beschreibt in einem sonic-Interview seine Vorgehensweise beim Einstudieren neuer Werke:
Er trennt grundsätzlich Üben und Vorspielen, d.h., er übt weit unterhalb des halben Tempos sowie in geringer Lautstärke, um nicht falsche Informationen einzuprogrammieren.
Des Weiteren unterlässt er während des gesamten Übeprozesses jegliche Interpretation und konzentriert sich stattdessen ausschließlich auf das Einlernen von Tonhöhen und Rhythmen. Während er auf diese Weise übt, steigen Bilder in ihm auf, die nach Interpretation drängen; er gibt diesen Bildern jedoch erst bei der Aufführung nach, nicht bereits während des Übens. Dahinter steht laut Hardenberger folgende Überlegung: Wenn man wirklich üben kann, ohne vorzuspielen, muss man auch vorspielen können, ohne dabei zu üben.

Die Vorgehensweise finde ich zwar bemerkenswert, jedoch erschließt sich mir nicht unmittelbar, weswegen nicht zumindest im fortgeschrittenen Stadium des Einstudierens eines neuen Werkes nicht auch die Interpretation "eingeübt" werden sollte.

Hat jemand Erfahrungen mit dieser Art des Übens? Was meint ihr: Ist es sinnvoll, erst bei der Aufführung zu interpretieren? Bringt einen das dann nicht aus dem Konzept?

LG
balte
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FlüTro
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von FlüTro »

Wesentlich scheint mir das "Tun" und die Zeit, die man dafür investiert.
Das "Wie" ist natürlich auch wichtig, aber nicht so sehr.
Deshalb sind Leute, die 8 - 10 Stunden arbeiten
stets wesentlich besser, als die, die es nur 1 - 2 Stunden tun.
Ich glaube bei Hardenberger wäre es wahrscheinlich egal,
ob er es so oder anders machen würde.
Peter
trp
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von trp »

ich übe neue stücke grundsätzlich nach folgendem schema:

1. nur rhythmus singen/klatschen
2. tonhöhen ohne rhythmus singen - später mit mundstück
3. rhythmus + tonhöhe in zeitlupe!!!!! singen - später mit mundstück
4. tonhöhen singen und am instrument mitgreifen
5. stück in zeitlupe!!! piano spielen ( mit interpretation!!)
6. tempo langsam steigern

es scheint, das diese vorgehensweise sehr langsam ist.

tatsächlich erreicht man aber damit in sehr kurzer zeit unglaubliche resultate.

das schöne dabei ist, das diese resultate dann auch auf der bühne noch funktionieren.

lg trp
buddy
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von buddy »

Hardenberger kann es sich offenbar leisten. Für Normaltrompeter würde seine Methode bedeuten, dass man auf Sicherheit verzichtet. Das Einüben eines neuen Stückes ist ein Konditinierungsvorgang, der den ganzen Körper betrifft. Verhindert man dabei, dass musikalische Passagen des Stückes "interpretatorische Reflexe" auslösen, wäre das für Einige von uns eher eine Methode, Auftrittsangst zu fördern.

Da liegt mir das Vorgehen von trp wesentlich näher. Es schult musikalisch und vermindert das Einüben von Fehlern. "Sehr langsam" ist dieser Weg besonders die erste Zeit, denn man bekommt gandenlos vor Augen und Ohren geführt, wie (wenig) weit Rhythmus, Notentextverständnis und Gedächtnis für das Stück bisher entwickelt sind.
kindofblue
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von kindofblue »

Bei Musikaufnahmen hört man ja oft daß der erste Take, so er denn nicht mit Fehlern gespickt ist, der Beste sei, da das Material noch frisch ist,, der Musiker noch nicht gelangweilt und voll Konzentriert bei der Sacheund das Zeug eben noch nicht so zur Routine geworden ist wie eine dreiviertel Stunde später bei Take 15.
Ich vermute durch diese Übungsweise will Hardenberger Routine vermeiden und bei seinen AUftritten eben immer "First Takes" abliefern.
Also eher eine Methode um zu verhindern daß einem bei Auftritten langweilig wird als um Lampenfieber zu vermeiden. ;)
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moppes
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von moppes »

Interessant waere bei dem Ansatz natuerlich, wie Hr. Hardenberger sich einen Jazz-Standard draufschafft und wie der dann beim Auftritt klingt.

Oder wie ein klassisches Trompetenkonzert von einem Jazzer eingeuebt dann klingt. Einer von unseren Profis zufaellig gerade Langeweile?

;-)
Peter

P.S.: Mir ist das suspekt, und zwar so, dass ich das fuer mich nicht ausprobieren moechte.
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von kindofblue »

Der scheint das auch wirklich extrem weit zu treiben wenn er die Stücke nicht ein einziges mal vor nem Auftritt auch nur einmal annähernd im Originaltempo spielt. ABer an und für sich ist an der Idee schon ein bißchen was dran nicht schon den ganzen Spaß mit einem Stück gehabt zu haben bevor einem einem auch nur einmal einer zugehört hat.
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Dobs
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von Dobs »

Erstaunlich, was ihr da so alles reininterpretiert. Wer weiß, was in dem Interview GENAU steht?!
Und auch aus dem Beitrag von Balte geht nicht hervor, daß Hardenberger ein Stück nie im Original Tempo spielt. Er trennt "Üben" und "Vorspielen", ja, und?
Wenn er langsam spielt, dann ist es Üben, wenn er das Stück durchspielt, im Originaltempo mit Interpretation nennr er es vielleicht "Vorspielen". Es ist nicht gesagt, daß er erst bei einem Auftritt das Stück zum ersten Mal im Originaltempo und mit muskalischer Interpretation spielt.
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von kindofblue »

Ich hab das Interview nicht gelesen, aber aus diesem Satz hier "er gibt diesen Bildern jedoch erst bei der Aufführung nach, nicht bereits während des Übens" entnommen daß er wohl tatsächlich erst beim Auftritt ernst macht.
buddy
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von buddy »

Dobs hat geschrieben:Erstaunlich, was ihr da so alles reininterpretiert.
Naja, balte murba hat Hardenbergers angebliches Vorgehen recht anschaulich beschrieben.
Darauf beziehen sich die folgenden Beiträge zum Teil. Die Trennung von Üben und Vortrag ist derart banal und in sich selbst begründet, darüber muss man nicht reden.
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Dobs
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von Dobs »

buddy hat geschrieben:Die Trennung von Üben und Vortrag ist derart banal und in sich selbst begründet, darüber muss man nicht reden.
Das finde ich nicht. Wenn ich z. B. zu Hause den "Vortrag" übe, ist das dann "Vortrag" oder "Üben"?
Jedenfalls drängt sich in meinen Augen, die Interpretation, daß Hardenberger erst bei einem Auftritt das Stück zum ersten Mal im Originaltempo spielt, nicht auf.
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von hannes »

Ich kann mir kaum vorstellen, dass Hardenberger es so gemeint hat. Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist es absolut absurd, nicht auch schon zuhause das Interpretieren zu üben. Wer steht schon so oft auf der Bühne wie Hardenberger oder spielt so oft vor? Wer täglich oder mindestens wöchentlich vorspielt ... meinetwegen. Aber jede Form des Lernens ist abhängig vom wiederholten Abrufen des Gelernten. Wer bis zu einem Konzert NIE das Konzert simuliert hat oder es nicht oft genug für sich und/oder andere sicher interpretierend (Tempo, Lautstärke, Phrasierung, Vibrato ...) vorgespielt hat, unterliegt damit auch einem nervlichen Stress. Man kann natürlich Dinge nüchtern üben, ohne an ein Interpretation zu denken. Die Trompetenschulen sind voll mit so einem Zeug (Bindungen...). Aber spätestens wenn ich Musikstücke übe, interpretiere ich auch. Bis zu einem gewissen Maß kann man das ausschalten um erst an technischen Problemen zu arbeiten. Aber gänzlich bis zum Vorspiel auf die Interpretation zu verzichten ist Unfug. Es bleibt die Frage, wie weit der Begriff Vorspiel/Musizieren und Üben interpretiert wird. Ich habe täglich "Konzerte" für mich zuhause und ebenso nüchterne Übungsstunden. :lol:

Hannes
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von FlüTro »

Ich glaub, der ist so gut, dass es egal ist, wie er es macht.
Anekdote:
Ich war als Jugendlicher ein sehr guter Skifahrer,
aufgewachsen ganz tief im Gebirge und hoch auf den Bergen.
Als Skilehrer habe ich es den Leuten völligst falsch erklärt,
so konnte es nicht gehen (ist schon sehr lange her, da war das alles "frei & unkontrolliert").
Die haben mich bewundert, haben keine Kurve hekriegt
und sind ständig auf die Schnauze gefallen,
ich konnte es auch völligst falsch, weil es einfach immer ging.
Peter
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von buddy »

Dobs hat geschrieben:Wenn ich z. B. zu Hause den "Vortrag" übe, ist das dann "Vortrag" oder "Üben"?
Du beantwortest es selbst: Wenn Du den Vortrag zu Hause "übst", muss es wohl "üben" sein. Sonst wäre es nicht mehr das passende Wort dafür.
Was Hardenberger tut oder nicht, kann ich nicht beurteilen, weil ich den Artkel nicht kenne. Ich bezog mich oben auf das Sonderliche aus balte murbas Beitrag
Lerntheoretisch wäre es Quatsch, was Herdenberger demnach täte, nur gilt das für viele Rituale. Nur einmal angenommen, er täte es. Dann wäre ja möglich, dass seine Dissoziation (NLP-Chargon) seinen Glaubenssatz stützt, dadurch besonders effizient zu arbeiten. Die kreativen Interpretationsmöglichkeiten scheinen vom Meister über Bilder memoriert und sonstwie geankert zu werden. Und das wäre dann auf der Bühne leicht abrufbar. Ich bin von meinen bevorzugten Sinneskanälen und Glaubenssätzen her anders gestrickt, daher käme ich nicht auf solche Methoden. Aver jede Jeck is anders.
kindofblue
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Re: Hakan Hardenberger: Einstudieren neuer Werke

Beitrag von kindofblue »

Natürlich ist es lerntheretisch Quatsch und es ist auch ganz sicher nicht nützlich wenn man probleme mit Lampenfieber hat. Und die Sparte "Fundamentales" ist wohl auch eher die falsche für dieses Thema. Aber ich kann mir schon vorstellen daß gerade Hardenberger genug Routine hat und auch technisch gut genug ist, daß er sich darüber eher weniger Gedanken machen muß.

und @ buddy: Wie empfindest du das denn im Jazz? Sobald du anfängst zu improvisieren gehst du ja auch ein Risiko ein indem du Sachen spielst die du ganz genau so noch nie gespielt hast.
Sachen zu üben und geübtes abzurufen ist doch irgendwie blos der Anfang vom Musik machen. Interessant wirds doch erst wenn damit spontan kreativ umgegangen werden kann (in der Klassik wie im Jazz) Und das birgt immer höhere Risiken Fehler zu machen.

Was anderes zu dem Thema: Habt ihr schonmal ein Stück, bzw. Konzertprogramm totgeübt? Also mit der Band/Orchester nachdems eh schon lief so viele Komplettdurchläufe in Konzertlautstärke/mit Konzertdynamik gespielt bis der Punkt an dems richtig gut lief überschritten war und alle inklusive ihr selbst gelangweilt von der eigenen Musik waren? Nach sowas ist dann am Konzert natürlich jede Aufregung weg. Aber auch jedes kribbeln. Und die Musiker sind dann so gelangweilt wie beim 100 Komplettdurchlauf bei der letzten Probe.
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