Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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TeslaTyp
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Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von TeslaTyp »

Moin zusammen, bin absolut am Verzweifeln.

Ich versuche seit drei Stunden, einen extrem störrischen Stimmzug von einer August Knopf Drehventiltrompete zu lösen. Habe alles versucht, massenhaft Kriechöl (in der vergangenen Woche täglich immer wieder neu aufgebracht, von innen und außen), Aufheizen, Lappen durch die Biegung, Einklemmen, mit roher Gewalt dran reißen - nichts bewegt sich.

Habe versucht, das Mistding abzulöten, aber selbst das funktioniert einfach nicht, egal wie heiß ich die beiden Lötstellen mache (man beachte die extreme Hitzeverfärbung von zahllosen immer heißeren, erfolglosen Versuchen) und wie fest ich dran reiße, nichts löst sich. Sogar das Lot hinten am Ventil ist dann teilweise geschmolzen, weil ich den Zug in meiner Verzweiflung nach zahllosen erfolgreichen Ablötversuchen dermaßen heftig erhitzt habe.


War grad‘ echt kurz davor, das Drecksding durch die Wohnung zu pfeffern…

Gibt‘s noch irgendeinen Trick der einen Versuch wert ist oder ist das ein Fall für den Altmetallcontainer/aggressiven Wurf durchs Zimmer?

PS: Bitte keine Verweise zum Instrumentenbauer, in meiner näheren Umgebung gibt‘s nur einen und der möchte sich dem Instrument nicht annehmen, meint es lohnt sich nicht Arbeit reinzustecken, weil der Schalltrichter relativ verbeult ist. Da bin ich zwar anderer Meinung, aber wer nicht will, der will nicht. Vom Trichter hänge ich auch mal ein Bild an.

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schattie280
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von schattie280 »

Moin,

häufig hat sich das Lot bei alten Instrumenten in "Dreck" verwandelt und daher lassen sich die Teile nicht mehr heiß trennen.
In dem Fall würde ich den Zug am Ventil ablöten. Dann vorsichtig mit Torsionsbewegungen versuchen, den Bogen zu trennen.
Es kann sein, dass man dafür die Zwingen am Bogen auftrennen muss (also auffeilen oder mit dem Dremel einen Schlitz reintrennen).
Dann kannst du die äußeren Züge in eine Spannzange einspannen und in das andere Ende ein Rohr einlöten, einen Bolzen einführen und am Bolzen mit einer Grippzange anfassen und dann vorsichtig vor und zurück drehen. Falls sich die Teile dann trennen lassen, ggf. neue Zwingen anfertigen, alles anschließend wieder passend zusammenlöten.

Da das Schallstück ziemlich allein aussieht und das Ventil auch einzeln ist, scheint das Instrument recht komplett auseinander gelötet worden zu sein.

Gruß,
Schattie
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von ebnater »

Hast Du die Möglichkeit, an ein Ultraschallbad zu kommen? Das könnte helfen, festgebackenen Dreck zu zerkleinern und dadurch den Zug zu lösen...
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schattie280
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von schattie280 »

Moin,

nein, das hilft leider nicht, die Züge zu trennen. Die Korrosion wird durch das Ultraschallbad nicht beseitigt.
Leider, sonst hätten wir es sehr viel leichter. :-)

Gruß,
Schattie
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TeslaTyp
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von TeslaTyp »

Ein Ultraschallbad (kein professionelles, nur so ein billiges vom Lidl) hab‘ ich, der Stimmzug hat auch schon 20 Minuten drin verbracht, hat leider nicht geholfen.

Das Instrument habe ich extrem billig in einem Konvolut gekauft (60€ für zwei Trompeten, ein Ed Kruspe-Waldhorn, ein Tenorhorn und eine Cerveny Helikon-Tuba), es waren schon einige Lötstellen lose, ich habe es dann weiter auseinandergelötet. Dann werde ich wohl als Nächstes die Am-Ventil-Auslöten-Methode versuchen, hoffentlich klappt‘s…
Zuletzt geändert von TeslaTyp am Freitag 18. März 2022, 08:22, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von Singvögelchen »

Hoffentlich hast du es beim Heißlöten nicht noch fester miteinander verbunden.

Meine Idee wäre ja, es extrem langsam auseinanderzuhebeln. Da müssten die Kontaktpunkte möglichst großflächig sein (Handarbeit, zB die Hebelstangen mit Bleiplatten umwickeln, wie beim Schraubstock) und mit Glück löst sich an der schwächsten Stelle wie gewünscht ein Rohr vom anderen. Kann aber leider passieren, dass sich exakt die Lötstelle nebendran auflöst.
Warum willst du das Ding eigentlich abmachen? Eine Innenreinigung sollte im jetzigen Zustand doch möglich sein.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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schattie280
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von schattie280 »

Singvögelchen hat geschrieben: Freitag 18. März 2022, 12:00 ...
Meine Idee wäre ja, es extrem langsam auseinanderzuhebeln.
...
Moin,

bitte nicht. Die Rohre werden fixiert, z.B. in einer Spannzange. In ein offenes Ende kann ein dünneres Rohr eingelötet werden, es wird ein Bolzen eingeschoben und dann kann man mit einer Grippzange an der Stelle mit dem Bolzen festzupacken und dann mit vorsichtigem Druck vor und zurück drehen, bis sich die Rohre mit einem Knacken lösen. WD40 kann immer unterstützen.

Gruß,
Schattie
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von Wolfram »

TeslaTyp hat geschrieben: Donnerstag 17. März 2022, 18:41 Moin zusammen, bin absolut am Verzweifeln.
Ich versuche seit drei Stunden, einen extrem störrischen Stimmzug von einer August Knopf Drehventiltrompete zu lösen. Habe alles versucht, massenhaft Kriechöl (in der vergangenen Woche täglich immer wieder neu aufgebracht, von innen und außen), Aufheizen, Lappen durch die Biegung, Einklemmen, mit roher Gewalt dran reißen - nichts bewegt sich.
Habe versucht, das Mistding abzulöten, aber selbst das funktioniert einfach nicht, egal wie heiß ich die beiden Lötstellen mache (man beachte die extreme Hitzeverfärbung von zahllosen immer heißeren, erfolglosen Versuchen) und wie fest ich dran reiße, nichts löst sich. Sogar das Lot hinten am Ventil ist dann teilweise geschmolzen, weil ich den Zug in meiner Verzweiflung nach zahllosen erfolgreichen Ablötversuchen dermaßen heftig erhitzt habe.
Hallo TeslaTyp,
Keine Ahnung, wie die Trompete aussah, als du sie für 60 EURO erstanden hast... aber, ein Instrument soweit in Einzelteile zu zerlegen und scheinbar die Substanz dabei so zu erhalten, dass eventuell doch wieder etwas Brauchbares entstehen kann - Respekt für dein handwerkliches Geschick, vor allem wenn man bedenkt, dass du erst 17 Jahre alt bist!
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Klar gibt`s die! Aber, bei allem Respekt für dein handwerkliches Geschick... man sieht, dass du keine Erfahrung hast - aber genau die benötigst du für solche "störrigen" Reparaturinstrumente! Ein geübter Instrumentenbauer geht beim Reparieren behutsam Schritt für Schritt voran und versucht immer erst mit der sanftesten Methoden, bevor er die "Brechstange" einsetzt. In deinem Fall sieht es so aus, als wenn du mit deinen Demontage-Versuchen die Züge festgelötet hast. Da hilft keine Ultraschallreinigung und auch kein "Hebeln"... Um so viel wie möglich alte Substanz zu erhalten muss an der richtigen Stelle weiter demontiert werden... aber mit den richtigen Werkzeugen und den richtigen Schritten.

Gefährlich (wenn nicht sogar fahrlässig !) finde ich, dass du bei diesen massiven Erhitzungen und Gewaltanwendungen den Drehventileinsatz herausgenommen hast? Die Gefahr, dass sich durch deine Reparaturversuche die Ventilbüchse verdrückt und unbrauchbar macht ist dadurch sehr hoch. Für normale Reparaturen wäre das absolut okay, aber nicht, wenn in der Nähe des Ventils erhitzt, gezerrt und geschlagen wird...
Und, da sind wir an dem Punkt den ich meine, dass dir die Erfahrung fehlt, um diese Reparatur erfolgreich zu vollenden.

Nach meiner Einschätzung muss das Instrumentensegment in alle Einzelteile demontiert (auseinander gelötet werden) und die zusammenhängenden Ventilzüge zum Schluss mit ca. 600°C geglüht werden. Dieser Vorgang setzt aber voraus, dass alle anderen Bauteile vorher abgebaut wurden. Das Glühen lässt alle Materie zwischen den Rohren verkohlen und im Anschluss kann man die Züge (mit der beschriebenen Technik von Schattie) mit Kriechöl und spezieller Spannvorrichtung durch hin- und herdrehen voneinander lösen. Das geht fast immer - außer, wenn die Zugrohre wie bei uralten Instrumenten eine Längsnaht haben. In diesem Fall hilft dann nur noch die Rekonstruktion der Bauteile, um das Instrument anschließend wieder Stück für Stück neu aufzubauen. Ob diese Wiederherstellung aber noch im Kosten-Aufwand-Nutzen steht und am Ende nicht teurer wird als eine andere gleichwertige Trompete, dass darf man stark bezweifeln.

Zersägen würde ich den Zug nicht, weil damit Originalteile endgültig vernichtet werden. Ziel sollte es immer sein, soviel wie möglich Originalteile zu erhalten.
PS: Bitte keine Verweise zum Instrumentenbauer, in meiner näheren Umgebung gibt‘s nur einen und der möchte sich dem Instrument nicht annehmen, meint es lohnt sich nicht Arbeit reinzustecken, weil der Schalltrichter relativ verbeult ist. Da bin ich zwar anderer Meinung, aber wer nicht will, der will nicht. Vom Trichter hänge ich auch mal ein Bild an.
Wenn dein Instrumentenbauer vor Ort hier nicht helfen will, warum suchst du dir nicht eine andere Fachwerkstatt, die bereit dazu wäre? Gute Fotos kannst du doch machen. Dann mache doch ein komplettes Sortiment von Detailaufnahmen und sende sie Instrumentenbauern zu, um nachzufragen, wer helfen kann und mit welchem Kostenaufwand das verbunden wäre.
LG, Wolfram
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Re: Stimmzug sitzt extrem fest - unlösbar?

Beitrag von Singvögelchen »

schattie280 hat geschrieben: Freitag 18. März 2022, 14:14
bitte nicht.
Danke für die Klarstellung, ich selber hätte mir das auch gar nicht zugetraut...
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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