Bixel hat geschrieben:leonfair hat geschrieben:Aber ich weiß jetzt immer noch nicht was bei euch mit dem brustkorb passiert.....
Mein Brustkorb darf sich
unbeobachtet fühlen.
Geht mir so ähnlich. Bei einer natürlichen, entspannten, unverkrampften Einatmung füllt sich der Brustkorb mit. Und zwar beginnt das Füllen des Brustkorbs etwas zeitverzögert zum „Bauch“ (bewusst in Anführungszeichen).
Ich finde es manchmal nützlich, das „Überfüllen“ des Bauchs zu verhindern und den Bauchnabel etwas heranzuziehen, damit sich der Brustkorb einen Hauch früher füllt. Mit der Zeit geht das aber automatisch und fühlt sich natürlich an, ohne etwas zu steuern.
Beim Ausatmen/Blasen verwende ich die Muskulatur des Brustkorbs normalerweise nicht. Ich schiebe die Luft von ganz unten heraus.
In sehr seltenen Fällen nehme ich den Brustkorb als „Turbolader“ beim Ausatmen dazu. Weniger für Volumen des Klangs, mehr für die High Notes.
Bixel hat geschrieben:Nach meiner Beobachtung zielen sämtliche Blechbläser-Atemkonzepte darauf, die Atmung zu "entkrampfen" und darauf, eine natürlich entspannte Atmung (wieder?) zu erlernen und zu konditionieren. Solche Konzepte sind m.E. allesamt "für die Galerie", weil uns ein verlässlicher Indikator für die Atmung von Beginn an zur Verfügung steht: der eigene Klang.
Oh ja, es ist gut, dass das gesagt wird!
Es wird auch meiner Meinung etwas zu viel Tam-Tam um Aspekte des Trompetens gemacht, wo es nicht notwendig wäre. Sicher gibt es einige „harte Fälle“, die bestimmte Bewegungsabläufe im Zusammenhang mit dem Trompete spielen falsch gelernt haben und nun durch spezifische Übungen diese korrekt (= natürlich) wiedererlernen müssen. So in etwa wie die Reha nach einem Unfall. Manche haben sogar falsche Bewegungen unabhängig vom Trompete spielen: flache Atmung, schlechte Haltung des Körpers.
Bis auf solche Ausnahmen sollte man sich meiner Meinung nach viel mehr vom Ergebnis leiten lassen, also vom erzielten Klang. Der Vorteil ist, dass der Körper bestimmte Abläufe automatisch korrekt durchführen kann und man sich ein umständliches Erlernen „um die Ecke“ spart. Es geht einfach schneller. Ein guter Lehrer kann dabei Fehler frühzeitig erkennen und dann verhindern, dass man die „falsche Ausfahrt“ nimmt. So lange man aber auf Kurs ist – wozu die grauen Zellen aktiv bemühen?
Ich weiß, dass gerade Menschen, die jahrelang im Job vorwiegend rational gehandelt haben (oder das zumindest glauben, hüstel) ein Problem mit dieser Sichtweise haben. Diese Leute erwarten technische Erklärungen und die Erläuterung von Bewegungsabläufen in Einzelteilen – in der festen Erwartung, dass es gelingt, diese zu einem Gesamtablauf zusammenzusetzen. So hat man es in der Firma gelernt, so funktioniert es überall. So liebe Topmanager, jetzt managt mal einen Ameisenhaufen. So eine Überraschung, die können das ohne Euch viel besser. Neuer Versuch: Vogelschwarm? Kind lernt laufen? Sprechen?
Die ergebnisorientierte Methode funktioniert unabhängig vom Alter, jedoch abhängig von der Bereitschaft sich darauf einzulassen. Und vor allem abhängig von der Bereitschaft sich selbst kritisch zuzuhören und ehrlich zu sich zu sein. Ich habe es mehrfach erlebt, dass jemand einen Ton mit korrekter Atmung spielt und der Ton klingt gut. Danach spielt er ihn inkorrekt und der Ton klingt nicht halb so gut. Er meint aber beide würden gleich klingen. Ohne ein gutes Ohr wird es schwierig. Kann man aber auch üben…
Nuancen im Klang muss man hören, damit man darauf reagieren kann, bevor man zu weit vom Kurs abgekommen ist. Als wir noch Kleinkinder waren und laufen lernten, war es einfach: Plumps = Misserfolg.
Blind Wolf, mein Text zielt nicht auf Deinen Beitrag ab, es sind allgemeine Erfahrungen.
Zurück zum ursprünglichen Beitrag…
leonfair hat geschrieben:Ich achte beim Atmen darauf, dass ich schön tief in den Bauch atme. Gleichzeitig versuche ich mir den Ton, den ich spielen muss vorzustellen und ihn dann beim spielen quasi zu "singen". Ich achte außerdem darauf das zwischen ein- und ausatmen kein "dazwischen" gibt, sondern nur "Luft rein" und sofort wieder "Luft raus". Die Luftführung soll sich anfühlen wie das Aufblasen eines Luftballons.
Hört sich alles gut an. Das „singen“ finde ich mehr für den musikalischen Aspekt als für die Atmung wichtig, passt aber. Das Aufblasen eines Luftballons gefällt mir als Visualisierung weniger gut. Da denke ich zu sehr an Widerstand als an ungehinderten Luftfluss. Mein Bild ist es, die Luft bis deutlich hinter den Schallbecher zu transportieren. Durch die Trompete hindurch. Wie durch ein Digeridoo, also auf geradem Weg.
leonfair hat geschrieben:Mit dieser technik schaffe ich eigentlich immer ein fettes es'''. Nur passiert mir manchmal wenn ich noch höher gehe - f''' oder g''' - dass ich entweder nicht soweit komme und die brust meinen luftfluss "abdrückt", ein nicht definierbarer extrem hoher kreischton kommt oder aber manchmal treffe ich f''' und g''' auch (f''' regelmäßiger wie g'''). Aber dennoch sind beide töne recht unsicher und darüber ist fast nix möglich.
Da weder gehört noch gesehen habe, wie Du spielst, lass mich ein paar Vermutungen äußern. Schreib mal was zutrifft und was nicht.
- Dein E2 intoniert ganz gut, aber beim A2 ist es nicht mehr gut. Alle Töne ab C3 sind generell etwas zu hoch in der Intonation.
- Deine Artikulation ab etwa H2 ist nicht so gut, die Töne wirken etwas brüchig im Anstoß oder der Anstoß ist etwas zu brutal.
- Ab etwa H2 hast Du nur zwei Dynamikstufen: sehr leise (klappt manchmal) oder „volle Pulle“.
- Wenn Du versuchst ein G3 zu spielen, vor allem wenn es nicht gelingt, wird Dein Hals dick und Dein Kopf rot.
leonfair hat geschrieben:Die Tonhöhe mach ich mit dem Mundraum/Zunge/Halsrachenraum. Dabei nutze ich vor allem die Vokale o (bis c') a (bis g') e (bis e'') ü ( bis g '') i ( alle töne darübe) und die Luftgeschwindigkeit. Dabei versuche ich die Lippen schön locker zu lassen. Erst im bereich a'' - b'' - c'' ist mmn. etwas mehr Lippenspannung bzw Fokusierung der lippen bis in die 3te Oktave notwendig.
Da lese ich etwas, bei dem ich mir sicher bin, dass es nicht gut ist. Wenn es tatsächlich so ist, dass Du die Luft mit dem
Hals-Rachenraum vorkomprimierst, dass ist das auf dem Weg zu hohen Tönen ein dicker Fels, über den Du stolperst. Das ist wie ein Wasserschlauch mit einer Düse am Ende und Du stehst irgendwo in der Mitte auf dem Schlauch (schönes Bild, huch, so rausgerutscht) und wunderst Dich, warum an der Düse so wenig ankommt. Die Luftführung muss von ganz unten, vom „Zwerchfell“ bis zu dem Punkt, an dem der Reifengummi die Straße berührt, frei und offen sein. Und Reifengummi und Straße, das ist der Punkt der Tonerzeugung. Da müssen die ganzen PS hin. Und auf dem Weg nicht durch Sand im Getriebe, verzogene Wellen und kaputte Zahnräder gestört werden. Alles muss gut geölt, reibungsfrei, spannungsfrei, ungestört sein. Damit jedes einzelne PS auf der Straße ankommt. Oder ganz einfach gesagt: immer schön locker bleiben.
Die Luft sollte so nah wie möglich an genau diesem Punkt komprimiert werden. Jerome Callet hatte die durchaus gute Idee, die Zungenspitze vor (!) die untere Zahnreihe zu nehmen, um die Kompression sehr weit hinten in der Luftzufuhr zu erzielen. Leider kann man so keine brauchbare Artikulation erreichen. Dennoch kann man von der Methode viel lernen: so weit vorne im Mund (= am Ende der Luftführung) komprimieren, wie es eben geht. Der Rest bleibt wie gesagt immer schön offen und entspannt.
Mir fallen zwei Dinge ein, die Du außerdem probieren kannst. Alles auf dünnem Eis, da ich aufgrund der von Dir selbst verfassten Beobachtung Deines eigenen Spiels einen Tipp abgebe. Deswegen kommt dann auch gleich die Fußnote, zu Risiken und Nebenwirkungen und so weiter …
Eine Ursache könnte ein nicht
ausreichender Support durch die Atmung sein. Deine Lippen arbeiten hart, aber die Unterstützung durch die Atmung reicht nicht. Es muss einfach mehr Luft sein. Nicht mehr „Krampf“, mehr Support von unten heraus. Denke einfach mal „mehr Luft von unten heraus, die den Ton trägt“ und probiere, was passiert.
Der andere Ansatz wäre es, die
Vorgehensweise umzukehren. Nehmen wir an, es geht darum eine G-Dur Tonleiter vom C1 bis zum G3 zu spielen. Viertelnoten. So wie Du Dein Spiel beschreibst, beginnt die Zunge recht früh das Rollen nach oben. Dann kommt die Lippenmuskulatur dazu, die zuerst locker ist.
Probiere es mal andersherum. Die Zunge bleibt bis auf minimalste Bewegungen erst einmal flach im Mundraum liegen. Der Support durch die Atmung wird immer mehr. Die Lippen reagieren nur darauf und werden nicht aktiv, sondern indirekt gesteuert. Du konzentrierst Dich primär auf die genau dosierte Atmung. Je mehr Luft ankommt, umso mehr „Grip“ müssen die Lippen liefern. Das machen sie aber weitgehend von selbst, man denkt recht wenig darüber nach.
Das erste, was Du feststellst, ist dass der Ton sehr offen und rund wird. Er trägt viel besser. Die Artikulation wird einfacher. Deine Muskeln im Gesicht ermüden am ersten Tag vielleicht schneller, aber das ist bald vorbei. Es ist weniger Kraft als Koordination. Koordination lernt man schneller als ein (weiterer) Muskelaufbau möglich ist.
Wenn Deine Muskulatur gut trainiert ist und die Koordination Atmung <> Lippen/Gesichtsmuskulatur gut funktioniert, dann kommst Du so in etwa bis zum C3. Dann bist Du schon ziemlich gut, würde ich sagen. Das C3 ist fett und strahlend und erfordert schon spürbare Kraft, eher in Richtung „Vollausschlag“.
Jetzt kommt die Zunge ins Spiel. Bleibt der Support durch die Luft gleich und – eben schon gesagt – die Lippen folgen im Wesentlichen der Luft, dann wird die Luft durch Hochrollen des vorderen Zungenrückens komprimiert. Es muss dabei etwas mehr Luft gegeben werden, aber nicht viel. Hat man die, zugegebenermaßen sehr fein zu dosierende Bewegung der Zunge raus, spielt man ohne größere Probleme vom C3 zu einem soliden C4. Nicht falsch verstehen, das ist schon ganz schön anstrengend. Aber das C4 ist nicht so viel anstrengender als das C3, wie man vielleicht annimmt.
Es kann ein Reflex sein, die Luftzufuhr wegzunehmen, wenn die Zunge komprimiert. Diesen Reflex muss man willentlich überwinden. Auf der Autobahn mit dem Transporter den Berg hoch heißt immer schön auf dem Gas bleiben!
Fußnote, Packungsbeilage
Ich hoffe die anderen Schreiber und ich haben Dich so weit motiviert, dass Du etwas für Dich neues ausprobieren willst und Dir dafür einen guten Lehrer nimmst! Alleine seinen Sound direkt neben Dir zu hören und dann Deinen, wird Dir ungemein weiterhelfen. Du bist wohl an einem Punkt, an dem es eine Gabelung gibt. Und es ist recht schmerzhaft, wenn Du die falsche Abzweigung nimmst. Ich weiß, wovon ich rede, auch wenn es bei mir ein ganzes Weilchen her ist. Es ist wirklich anstrengend wieder zurück auf den Weg zu finden.
Such Dir einen guten Lehrer! Ist keiner in der Nähe, dann ist es besser alle zwei Monate eine längere Strecke fahren, um dann vier Stunden im Block zu nehmen, als alleine herumzuprobieren und die falsche Richtung einzuschlagen.
So und jetzt: Kopfkino geh‘ aus. Wie kriege ich die ganzen Bilder wieder aus dem Kopf?