dizzychrizzy hat geschrieben:Möglicherweise geht die Diskussion momentan etwas am eigentlichen Punkt vorbei. Ich sprach in meinem Post aus dem Dezember auch bewusst nicht von Luftmenge, sondern von Luftdruck.
Vereinfacht gesagt, geht es beim Trompete spielen darum, an den Lippen den bernoullischen Effekt auszulösen. Durch den Wechsel zwischen geschlossenen und geöffneten Lippen wird der Luftstrom immer wieder unterbrochen, es entsteht eine Schwingung. Die Trompete dient prinzipiell als Verstärker dieser Schwingung.
Die Trompete selbst bringt dabei einen gewissen Widerstand mit, dazu kommt der Widerstand durch die Backbore und die Mundstückbohrung. Auch die Lippen setzen einen gewissen Widerstand entgegen. Es ist also Luftdruck notwendig.
Um höhere Töne zu spielen ist eine schnellere Schwingung notwendig. Das erfordert eine größere Lippenspannung. Damit der bernoullische Effekt immer noch stattfinden kann, muss der Luftdruck erhöht werden.
Der für das Trompete spielen benötigte Luftdruck ist deutlich höher als beim Singen. Denn die Stimmbänder schwingen viel leichter als die Lippen am Trompetenmundstück (übrigens auch durch den bernoullischen Effekt). Beim Trompeten kommt noch der Widerstand durch Mundstück und Trompete hinzu. Und je höher die Töne auf der Trompete werden, umso mehr klafft diese Lücke auseinander.
Ich bin mir sicher, dass man als Trompeter immer profitiert, wenn man sich mit dem Thema Atmung auseinandersetzt. Wenn man eine gute Gesangsausbildung hat, ist das auch sicher hilfreich, weil man diverse Prinzipien einmal verstanden hat – sofern es sich um eine fundierte Ausbildung handelt, die pädagogisch richtig ist (und den Gesetzen der Physik entspricht). Eine 1:1 Übertragung funktioniert aber dennoch nicht. Es mehr eine „beim Singen war es so, jetzt beim Trompeten muss ich es so machen“-Logik. Die Unterschiede sind, gerade wenn es um hohe Töne geht, groß. Die Anforderungen klaffen auseinander und daher auch die Methodik.
In den Wochen seit meinem Post hat sich an meiner Aussage nichts geändert. Die Aussage ist, dass es als Trompeter nicht sinnvoll ist, sich mit der Atmung als Sänger (dediziert) auseinanderzusetzen. Die Zeit die man darin investiert, ist effektiver eingesetzt, wenn man sich mit der für die Trompete notwendigen Atmung auseinandersetzt.
Ich empfehle die Bücher (PDF, iBook) von Clint „Pops“ McLaughlin. Er erklärt das sehr gut, es ist richtig (entspricht dem Kenntnisstand der Pädagogik), er hat Erfolg mit seiner Herangehensweise und es ist das, was man für das Trompete spielen braucht – ohne unnötigen Ballast.
Zum Thema Luftmenge für die Interessierten ein kleines Experiment: Zieht mal den Stimmzug heraus und setzt ihn nur oben wieder ein, so dass die untere Seite des Stimmzugs offen ist. Vorsicht, dass er nicht herausfällt. Dann den Daumen der rechten Hand an das offene Ende des Stimmzugs halten. Nicht zumachen, nur so davorhalten, dass man einen Luftzug spüren kann. Dann einfach mal – ohne Ton – viel Luft durch die Trompete pusten. Dann einen tiefen Ton spielen, so etwas wie ein tiefes C, unter dem Notensystem. Und immer höhere (Naturtöne). Das C4 auf dieser Apparatur zu spielen ist ein bisschen hart, aber ein G3 geht (oder eben das höchste was geht). Und immer mit dem Daumen den Luftzug spüren. Und? Den Trick habe ich von Jerome Callet. Ich finde, es ist in mehrfacher Hinsicht ein Augenöffner.
Ob (oder ab wann) die Luftmenge beim Singen größer oder kleiner ist, als beim Trompeten, ist für mich weniger interessant. Beim Singen lautet die Devise immer nicht zu viel Luft einzusetzen, um die „Stimme“ nicht zu überlasten. Beim Trompete spielen ist das Bild im Kopf, so viel Luft wie möglich durch die Trompete zu transportieren (auch wenn faktisch die Luftmenge mit der Höhe abnimmt).
Noch ein Tipp: wenn hohe Töne nicht kommen und es irgendwann „zu macht“, einfach mal mit dem Daumen der rechten Hand den Schallbecher von den Lippen wegdrücken. Oft kommt dann ein klarer Ton. Und Bernoulli grüßt.
Die Atmung beim Gesang und Trompetenspiel ist ziemlich identisch. Früher wurde mir eine andere Atemtechnik gelehrt und da war es schwer möglich, eine Strophe in der Kirche mit der Trompete erst zu spielen und die zweite zu singen, weil sich das gegenseitig störte. Aber heute ist es genau anders herum. Wenn ich beispielsweise Trompetenspiele, bin ich danach gut eingesungen! Es entspricht sich.-
D.h. es kommt sehr darauf an, wie man es macht.
Und was den Bernoulli-Effekt angeht, halte ich diese Anschauung für sehr problematisch. Denn diese Vorstellung suggeriert, viel Luft müsse durchgeblasen werden, um einen anständigen Ton zu erzeugen.
Übrigens gibt es diese Anschauung auch im Gesang ("Singen und Flugzeuge"). Die Praxis zeigt aber deutlich, es ist sehr viel Anstrengung damit verbunden und führt
nicht zum ästhetischen Ziel. Was hat es denn für einen Wert, wenn man zwar hoch und laut singen kann, aber nicht mit der Stimme spielen und die Menschen berühren, weil man nur am Ackern ist. Dann ist doch etwas gehörig schief gegangen.
Wenn ich tanze will, dann habe ich als Vorbild doch eher Fred Astaire, als einen Kugelstoßer!
Ebenso beim Trompetenspiel. Nicht jene sind für mich Vorbild bei denen regelmäßig der Kopf anschwillt, sondern jene, die mit den Tönen zu spielen verstehen, als wäre es eine Leichtigkeit.
Ich sehe die Erzeugung des Tones beim Singen eher zu vergleichen mit dem Strich eines Cellobogens an der Saite. Und ähnlich sehe ich die Stimmbänder wie auch die Lippen. Der Bernoulli-Effeklt ist da sicher das Gerinste.
Es geht darum, etwas in Schwingung zu versetzen. Würde man nachweisen, das sei zwangsweise immer nur mit einem großen Anblasdruck verbunden, könnte man die Bestrebung, "
großes mit kleinem bewirken", vergessen.
Aber selbst Dein Experiment zeigt doch, dass zur Höhe hin der Luftstrom abnimmt, und nicht zu, folglich ...............