Ein gutes Gehör ist auf Dauer die vermutlich wichtigste Eigenschaft für Improvisatoren. Als Schulung mit Spaß-Effekt bietet sich dazu das Nachspielen relativ kurzer Phrasen an. Durch diese Methode werden auch recht gut Blockierungen der Kreativität gelöst (improvisatorischer Blackout), die man sich durch peinliche Erfahrungen des Unvermögens oder alberne Glaubenssätze über Jazz "reingezogen" hat. Außerdem bietet es sich an, dabei Material aus Skalenübungen, Arpeggien, Umspielungen und abgehörten Phrasen auszuprobieren.
Hat man einen Improvisationslehrer zur Hand, werden solche unendlich erweiterbaren Übungen wahrscheinlich fester Bestandteil des (Anfänger-)Unterrichts sein.
Hat man keinen Lehrer, lohnt sich für absolute Anfänger für einen frustfreien Einstieg erst einmal ein Versuch mit diesen einführenden Heften:
http://www.trompetenforum.de/TF/viewtop ... 691#p97691
Weitere vertiefende Literatur wurde in diesem und anderen Threads mehrfach vorgestellt.
Ein großartiges Werkzeug für vieles, was man mit Musik anstellen kann, ist Band-in-A-Box:
http://www.pgmusic.com
Für Anfänger mit diesem Programm ist die folgende Anleitung zum Improvisationstraining gedacht. Jede Version ab 12 oder neuer tut es, wegen der äußerst sinnvollen Erweiterungen des Programms kauft man es am besten gleich als Mega oder Ultra Pak.
Vorgestellt wird eine einfache Übung, die Variationen und ansteigenden Schwierigkeitsgrade sind dann sehr leicht erweiterbar.
BIAB möchte nach dem Starten zuerst ein paar Akkorde, die wir mit der Tastatur eingeben:
cm7 -> Eingabetaste, zeigt Cm7 im Fenster. Da das Programm normalerweise halbtaktig vorgeht, nochmal Eingabetaste. Jetzt sind wir in Takt 2, cm7 -> Eingabetaste, dann das Gleiche mit f7 und im vierten Takt noch mal f7.
So steht in einer Zeile taktweise Cm7, Cm7 F7, F7.
Nun Takt 1 bis 4 mit der gedrückten Maustaste markieren, mit Tastenkombination ALTGR - C kopieren und in Takt 5 mit ALTGR - V einfügen, dann in Takt 9 und 13 ebenfalls einfügen.
Jetzt haben wir vier Zeilen von je 8 Beats (zwei Takten) Cm7- F7, der häufigsten Akkordverbindung in der Popularmusik (die sog. II-V-Verbindung). Die blaue Markierung in Takt 1 können wir durch Anklicken auf grün umstellen, die blauen Markierungen von Takt 5, 9 und 13 durch 2x Anklicken entfernen. Wird ein Takt sehr schnell 2x angeklickt, beginnt das Programm ab da zu spielen. Durch Anschlag der Leertaste lässt es sich wieder anhalten (bzw. durch doppelten Anschlag starten).
Wichtig! Nun stellen wir BIAB auf die Transposition für unsere Bb-Trompete um. Es soll also ein C klingen, wenn ein D angezeigt bzw. auf der Trompete gespielt wird. Dazu wird das Notation-Fenster geöffnet (Tastenkombination STRG-W), darin der OPT.-Schalter gedrückt und in der Mitte dieses kleineren, grauen OPT.-Fensters die Transposition "Trumpet +2" eingestellt. Mit OK bestätigen und mit Klick auf den Achtelnoten-Schalter links über dem Notations-Fenster oder mit STRG-W das Notations-Fenster wieder schließen.
Statt eines Cm7 steht jetzt ein Dm7 im Bearbeitungsfenster, erklingen wird ein C-Moll7 Akkord im jeweils ausgewählten Rhythmus/Style. Im Notation-Fenster kann man nach dem Drücken auf einen der Schalter mit den Buchstaben (die MIDI-Stimmen) die jeweilige Stimme sehen, Partituren sind nicht möglich. "Klassiker" mit Hang zur strengen Tonalität werden anfangs staunen, mit welchen Tönen BIAB bei manchen Stilen auf dem Piano seine Begleitakkorde spielt (voicing). Übrigens oft sehr ähnlich wie Jamey Aebersold und andere gute Comper.
Für unsere Zwecke wären zu Beginn 2 Styles besonders interessant. Wir nehmen den ganz schlichten Jazz Style "ZZJAZZ.STY" für Swing-Feel. Der ebenso schlichte Latin "Z3BOSSA.STY" wäre gut für Übungen mit geraden Achtel und sehr skalenorientierem Spiel geeignet. Mit entsprechender Sicherheit kann natürlich mit allen möglichen Stilen experimentiert werden, BIAB schlägt dabei je nach Wahl verschiedene SOLOIST-Modelle vor.
Die Länge des Chorus wird auf 16 gesetzt und der Loop auf 3, S kann einfach so bleiben, dadurch werden die Harmonien unserer Dm7-G7 Folge am Ende nach den 3 Durchgängen 2 -taktig nach Cj aufgelöst.
Nun kommt der Sessionpartner bzw. Lehrerersatz ins Spiel, er heißt hier "SOLOIST". Der Funktionsumfang und die Editiermöglichkeiten des SOLOIST sind wie alle Programmoptionen bei BIAB riesig, für unseren Zweck zum Einstieg ein einfaches Rezept:
Den Soloist starten mit Menüauswahl
Soloist -> Generate... (Umschalt-F4),
Auswahl 1 Bebop Saxophone, im gleichen Fenster Mitte rechts geht es weiter mit
Change Instrument -> Trumpet, darunter
Solo Mode Trade 4's
Nun muss nun noch in einem neuen Fenster der für uns ziemlich große Range des Alt-Sax auf einen übungsmäßig lockeren mittleren Trompetenbereich und zu Beginn auf relativ wenige Töne eingestellt werden:
Edit Soloist Maker -> neues Fenster geht auf, in der Mitte links steht
Note Range -> 60 (Midi-Note c') to 80 (ca. g'')
Eine andere Option wäre z.B. 65 to 72, damit die Phrasen erst einmal weniger verschiedene Töne enthalten, in diesem Fall nur welche von g'-d''. Noch eingeschränkter wären 65 - 67, dann bleiben nur 1-2 Töne nachzuspielen. Die Zahlen legen die (Midi)Noten nicht zu 100% fest, da sonst die anderen Programmoptionen teilweise nicht mehr ausführbar wären.
Als "Phrase Length" sind "8 to 20 Beats" angegeben, Space 25%, Space Length "2 to 2 Beats".
Wichtig ist noch der "Outside Range". Damit nicht zuviel schwerer zu hörende Chromatik ins Spiel kommt, würde ich den Bereich anfangs auf "1 to 3" begrenzen.
Sollte es mit dem Nachspielen immer noch nicht so recht klappen, kann man die Tonauswahl bis zum reinen Rhythmus-Nachspiel auf einer Note einschränken, den Outside-Range auf 1 to 1 stellen und beim Spielen das Tempo drosseln.
Damit man das "improvisierte" Ergebnis des Soloist auch sehen kann, müsste man im Notations-Fenster den rechten der beiden M Schalter drücken, aber eigentlich geht es hier um Gehör-Bildung und nachspielen, nicht ums Noten lesen.
Ich arbeite bisher mit BIAB Version 12 (ca. 2002). Daher weiß ich nicht, ob neuere Versionen auch Trade 2's ermöglichen, was natürlich zunächst einfacher wäre.
Nächste Übung wäre "Frage-Antwort" statt Nachspielen. Also das Spielen einer eigenen improvisierten Phrase als Reaktion und mit Bezug auf das Gehörte. Dazu übernimmt z.B. man den Schlusston, zum Teil oder im Ganzen den Melos oder den Rhythmus der Phrase. Das wären dann schon die echten Trade 4's.
Klappt es mit einfachen Patterns, erhöht man den Range und/oder die Chromatik. Eine andere Variante für mehr Komplexität wäre die Auswahl moderner SOLOIST-Modelle wie Freddie Hubbard oder Michael Brecker.
Eine gute Idee wäre auch die Übernahme von ein paar Takten aus einem der Snidero-Stücke, oder gleich einem ganzen Standard. Genauso geht es mit Blues oder komplizierteren Akkordverbindungen, die Möglichkeiten sind scheinbar unendlich. Witzig wäre auch, Melodien von Snidero oder aus dem Real Book einzugeben und dann solistisch umspielen zu lassen (Auswahl Around Melody). Es gibt auch eine Standard Sammlung mit Originalmelodien für BIAB. Darüber hinaus sind je nach Ausgabe eine ganze Reihe von Klassik, Rock, Pop und Jazz-Stücken dabei, die man für die weitere Bearbeitung und zum Training heranziehen kann.
Diese Art des Übens ist m.E. deutlich unterhaltsamer und effektiver als das Spielen mit Aebersold Vol. 1.