Improvisation für Dummies (AuD)

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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buddy
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Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Die etlichen Threads zur Improvisation enthalten viele gute Tips. Wie selbstverständlich scheinen die Forumsbeiträge aber recht gut talentierten "Improvisations-Nachwuchs" vorauszusetzen. Ich möchte daher ein paar Erfahrungen auf meinem (langen) Weg der Improvisation im Jazz schildern. Gedacht als "erste Schritte", aus viel Versuch und Irrtum kondensiert und aus meiner Sicht als Hobbymusiker geschrieben, genauer: Amateur und Durchschnitts-Talent, nachfolgend AuD genannt.

Zur leichteren Nachahmung, falls jemandem mein Ansatz des Weges plausibel erscheint, beschränke ich mich hier auf eine einzige Methode (Snidero), die ich für einen guten Einstieg halte. Soll es noch mehr an der Basis losgehen, empfehle ich "John LaPorta: A Guide To Jazz Improvisation", mit CD, aber leider ohne Tröt. Noch eine andere gute Möglichkeit wäre "Frank Mantooth: Improvisationspatterns für Anfänger". Notenlesen können ist immer Voraussetzung.

Ich habe über die Jahre eine ziemliche Sammlung an Jazzliteratur (Noten, Lehrbücher, Biografien) und Aufnahmen aufgebaut. Von den Methoden/Lehrbüchern hat sich nur ein Bruchteil als "weitgehend hilfreich" erwiesen. Ein paar gute Gedanken stecken natürlich in fast jeder professionellen Veröffentlichung, aber wie weit trägt das?

Empfohlen wird (auch hier im Forum) meist dieser Lernweg: Lieblingsmusiker hören, transkribieren, nachspielen, Skalen und Akkordbrechungen (Arps) üben und eine Jazzharmonie-Lehre eingehend studieren. Und dann natürlich bald und viel "Session" spielen.
Für mich waren Jazz-Skalen und -Hamonielehre erst böhmische Dörfer, dann wusste ich irgendwann Einiges "theoretisch" und konnte ein paar Skalen/Arps auf dem Horn, aber "Improvisation" wurde eben leider nicht daraus. Es war ein gehemmtes, einfallsloses Spielen und ödete mich selbst an. Frustrierende Session-Erkenntnis: ich bin durch und durch ein AuD. Das, was im Jazz richtig Spaß macht ist für mich meilenweit weg, da kann ich üben, bis ich steinalt bin. Mein damaliger Lehrer empfahl weiterüben, Real Book-Themen lernen und "einfachere Sachen 'raushören". Alles richtig, aber in jener Lage nicht mehr lustvoll genug für mich. Weitere Erkenntnis: Meine Lehrer waren/sind selbst so professionelle und (hoch-)talentierte Musiker, dass für sie die Methode des Improvisieren-Lernens eine Nebensache ist. Sie selbst wären wohl auch unter widrigsten Umständen zu einem beachtlichen Ergebnis gekommen. Ich spielte dann (sehr gern) im Satz einer Amateur-Big Band und ließ das Thema "Improvisation" lange Zeit in (Un-)Frieden ruhen.

Von Heute aus betrachtet, würde ich raten, zu Beginn erst einmal nur wenig (oder keine) Energie auf das "reine Üben" von Skalen und Akkordbrechungen zu verwenden. Gleiches gilt für die Jazz-Harmonielehre. Wenn man später schon praktische Erfahrungen im Jazz spielen hat, kann man den Stoff viel leichter mit Erfahrungen verknüpfen, erst dann gehen einige Lichter auf.
Anders herum wird es immer noch häufig gelehrt, ist aber meiner Erfahrung nach recht dröge.
Jazz ist ein Idiom, das mit der Phrasierung steht oder fällt. Daher: erst einmal "Vokabeln, Aussprache und Redewendungen" lernen, nicht Buchstabenfolgen und Grammatik-Regeln.

Woher das Know-How nehmen? Gute und beste Talente hören sich ihre Lieblinge an und spielen nach Gehör, aber die "wenigen Anderen"? Meister-Improvisationen sind oft zu anspruchsvoll, um von einem AuD herausgehört und aufgeschrieben bzw. nachgespielt zu werden. Und wenn nicht, dauert die Transkription für einen AuD zumindest ziemlich lange. Zeit zum Musizieren ist für Hobbymusiker aber meist äußerst kostbar (Job, Familie, Hund…).

Die Alternative liegt in Play-Alongs mit aufgenommener Lead-Stimme. Im Forum wurde schon ein paar Mal "Jim Snidero: Jazz Conception" empfohlen. Dem kann ich mich nur anschließen. Es gibt inzwischen die Ausgaben nach instrumentaler Vorerfahrung: Easy, Intermediate & die älteste Veröffentlichung der Reihe ohne Zusatzbezeichung. Die Hefte erschienen als Ausgabe pro Instrument. Einige Nutzen dieser Hefte sind
1. Modell-Lernen: auf den beiliegenden CDs der Reihe spielen Profis, die Abmischung ist "trocken" genug, um die Phrasierung des Trompeters genau hören zu können. Die Aufnahmen sind noch ein zweites Mal vorhanden, ohne den Solisten und damit ein Play-Along wie bei Aebersold.
2. Leichter Einstieg ins Improvisieren: ich beziehe mich jetzt auf meine, die Ausgabe ohne Zusatzbezeichnung, die ich seit gut 10 Jahren(!) benutze. Die erste Etüde "Groove Blues" ist ein einfaches Jazz-Bluesschema im mittleren Swing-Tempo. Bis auf den letzten Chorus kann wohl auch ein ziemlicher Trompetenanfänger nach kurzer Zeit mithalten, damit winken sehr frühe Erfolgserlebnisse. Die ersten vier Chorusse benutzen nur wenige Töne, aber bereits die typischen Elemente des Jazz-Blues: Riff, Frage-Antwort, Repetition, Blue Notes. Die eigene Improvisation drängt sich geradezu auf. Es liegt nahe, die rhythmische Struktur eines Chorus zu übernehmen und die wenigen Töne in der Reihenfolge zu vertauschen. Oder die Töne beizubehalten und andere rhythmische Figuren bzw. "Riffs" zu finden. Oder Pentatonik und/oder Blues Scale auszuprobieren.
Hilfreich ist beim Üben, sich gelegentlich einzuschränken und ein Ziel zu setzen, z.B. heute übe ich improvisieren nur mit den ersten drei Tönen der Skala, oder nur mit Approach Notes, oder nur Pentatonik, oder nur Blues-Scale-Achtellinien, oder nur Guide Tone Lines im Turnaround…
Wem jetzt "Approach Notes, usw." noch nichts sagt: Die Erwähnung erfolgt als Vorgriff, was man alles mit einer einfachen Blues Etüde üben kann, wenn man im Improvisieren vorankommt. Der Lehrer, das Forum und unzählige Websites und Bücher helfen da weiter. Am Anfang steht aber das sichere und rhythmisierte Spiel mit den Noten, die Snidero in den Chorussen des Groove Blues verwendet. Erste "Ausbaustufe" wären danach (Moll-)Pentatonik und Blues-Scale.
3. Repertoire-Kenntisse: in diesem Beitrag nicht mehr vertieft, beruhen die Akkordfolgen auf äußerst bekannten Standards, Jazz Originals und Changes.

Snidero empfiehlt für den Lernerfolg: zuerst die Etüde auswendig lernen, dann die Chorusse in der Reihenfolge vertauschen und schließlich transponieren.
Damit kommt ein weiteres nützliches Tool des AuD ins Spiel: Band-In-A-Box, es muss nicht die neueste Version sein. Die Akkorde des "Groove Blues" von Snidero sind im Nu eingegeben. Jetzt ist Folgendes möglich: Üben/Play-Along in verschiedenen Tempi, z.B. ganz langsam, um zu lernen, den Turnaround der letzen Takte harmonisch auszuspielen, Guide Tone Lines und/oder Target Tones-Übungen zu machen oder um überhaupt mehr Noten pro Takt spielen zu können. Man kann z.B. pentatonische und Blues-Skalenübungen aus anderen Methoden/Lehrbüchern ausprobieren. Auf Knopfdruck erfolgt die Transposition in andere Tonarten, z.B. der G-Blues nun als C-Blues, um mal im Quartenzirkel (bzw. Quintenzirkel rückwärts) zu bleiben, den man ja sowieso immer kennenlernen wollte. Weitere Vorzüge von BiaB wurden schon verschiedentlich im Forum angesprochen.

Logischer einhergehender oder nächster Schritt wäre das Lernen berühmter Jazz-Blues-Themen, z.B. aus dem Real-Book oder eben von Aufnahmen, denn bei diesem Weg wachsen die Ohren relativ schmerzfrei mit. Geschätzter Aufwand bis zur (hoffentlich) angstfreien Blues-Session unter Freunden: 3-6 Monate.
Danach wird es Zeit für das übernächste Stück des Buches, das auf der Akkordfolge von Ellingtons Satin Doll beruht. Hier kann man z.B. den Einsatz diatonischer Skalen üben und Alles zur Schlüsselsequenz des tonalen Jazz, der II-V Verbindung.
Ich bin keinem hier genannten oder anderen Produktgeber aus der Musikszene wirtschaftlich verbunden und empfehle rein nach dem spielerischen Nutzen, den ich erfahren habe.
Zuletzt geändert von buddy am Mittwoch 9. Mai 2007, 15:22, insgesamt 1-mal geändert.
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pink panther
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Beitrag von pink panther »

danke, super beitrag!
lg,pp
Die schönste Blume, der Natur,
ist doch das Edelweiß...
Steffen
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Beitrag von Steffen »

Im Don Ellis Thread hat lead m-v folgendes Video gepostet:

http://www.dailymotion.com/relevance/se ... -into-jazz

Darin ist von sehr kompetenter Seite und in beeindruckender Weise alles gesagt, was man zu diesem Thema wissen sollte. Schöner und umfassender kann man eigentlich nicht beschreiben, wie man Zugang und Verständnis für Jazzmusik erlangen kann.

"Music is being made, come on in!"

Viele Grüße,

Steffen
buddy
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Beitrag von buddy »

Leonard Bernstein (wie in der ganzen Serie) sehr unterhaltsam und natürlich kompetent, aber: geschildert wird in Märchenform eben genau das Klischee vom jugendlichen Top-Talent und Woodshedder Peter Parker, übrigens namensgleich mit dem übermenschlichen Spider Man.

Ich bin und schreibe über das Amateur und Durchschnittstalent, vielleicht erwachsen, berufstätig und mit Frau, Kindern, Hund. Schon die 3 Stunden täglich üben, wie von Bernstein erzählt, sind da völlig illusorisch.

Es geht auch anders als über den jazz(pädagogischen) Weg der Altvorderen. Dass der Einstieg in improvisierte Musik auch ohne vorangehende längere Quälerei durch Skalen und Arps geht, die bis um Abwinken ohne realistische musikalische Einbindung geübt werden, wurde z.B. schon lange von Herb Ellis propagiert und wird inzwischen auch institutionell vertreten, wie durch das ABRSM.

"Zugang und Verständnis" öffnen den Weg zu Wissen über Jazz oder welcher Musik auch immer, das bedeutet aber noch lange kein abrufbares Können auf dem Instrument in einem musikalischen Kontext.
Zuletzt geändert von buddy am Sonntag 13. Mai 2007, 14:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Tobias
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Beitrag von Tobias »

@buddy

erstmal ein verspaetetes Willkommen hier im Forum.

Schoen, dass mal wieder ein Jazzer zu uns gefunden hat. Dein ersten Beitrag finde ich sehr gelungen!

Ich wollte nach deinem letzten Kommentar nachfragen, was ABRSM denn wohl bedeutet, habe es aber jetzt ergoogelt:

http://en.wikipedia.org/wiki/Associated ... s_of_Music

Es gibt sicher verschiedene Wege zur Improvisation, u.a auch je nachdem, welche Voraussetzungen der Interessierte schon besitzt.

Ich selbst haette mir aus jetziger Sicht auch einige Umwege sparen koennen.

In Vorfreude auf weitere interessante Diskussionen in der Jazzecke

Tobias

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Beitrag von unam »

happy welcome :)
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Beitrag von buddy »

Hallo Tobias, danke für die Anerkennung.
Beiträge zur "Musikerziehung" über ein Forum sind natürlich nur sehr eingeschränkt möglich. Schön fände ich aber, wenn Forenmitglieder gelegentlich schreiben, was genau Ihnen für ihr Spiel weiterhilft. Deshalb finde ich z.B. den "Trompeten-Bibel"-Thread auch so sinnig, wo man seine "Lieblingsbücher" ansprechen kann.
Zuletzt geändert von buddy am Montag 14. Mai 2007, 21:02, insgesamt 1-mal geändert.
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trompeti
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Beitrag von trompeti »

@buddy

Willkommen! Ich fand deinen Beitrag sehr interessant und anregend. Er trifft so ziemlich was ich erlebe. Besonders angeregt hat mich eine Sache, welche ich noch weiter angehen muss. Die Tatsache, dass ich immer so viele Dinge zu ueben habe (ist ja nicht nur der Jazz, sondern auch die Trompete selber noch) fuehrt gerne zur Verwirrung. Was soll nun taeglich, wie lange und wie geuebt werden wird immer schwerer zu kontrollieren. Und du schreibst ja richtig, ich kann oft mein Ueben nicht wie meinen Berufsalltag durchplanen, schlicht, einfach weil die Kraft abends nicht mehr reicht.
Was ich mache ist dann z.B., ich schreibe mir z. B. ein etwas komplexeres Bluesschema mit einem Lick in allen 12 Tonarten auf und rattere das dann auch als Staccatto, Intervall oder Fingeringuebung durch. So mache ich nicht Technik mit Arban und Jazz mit einem anderen Buch. Mit der Zeit kriege ich so dann, das auch in den Kopf, Finger und die Form in den Kopf. Nun versuche ich lmich so angsam an die Rhytmchanges an zu tasten. Aber das ist natuerlich sehr persoenlich. Ich mache, und das lese ich auch aus deinem Bericht heraus, halt nur sehr langsam Fortschritte und da habe ich Muehe mir eine Beschleunigung vor zu stellen.

cheers

trompeti
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Beitrag von buddy »

Hallo,
ein Lick durch die Chords/Changes zu spielen ist bestimmt eine Top-Übung für flüssiges Spiel in allen Tonarten. Hast Du auch schon Erfahrung damit, ein Lick an die verschiedenen Akkordtypen anzupassen? Also das gleiche Lick über major7, dominant7, moll7, half-dim7 und dim7. Dabei müssen natürlich jene Töne des Licks angepasst werden, die den zugrundeliegenden Akkord formen. Ein Lick prägt sich ja ganz anders ein als eine "abstrakte" Scale. Ich hoffe, damit im Laufe der Zeit sicherer im Erkennen von Akkordqualitäten bzw. Skalen werde, wenn ich ein Stück nicht kenne und anderen beim improvisieren zuhöre.
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trompeti
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Beitrag von trompeti »

Hi buddy,

nein, habe ich noch nicht probiert. Ich meine, das steht natuerlich alles im Programm, aber eben, die Zeit. Ich arbeite im Moment mehr an den Stuecken, welche ich fuer die Band brauche und an dem, was der Unterricht aufwirft. Was ich aber noch tue, ich mache viele Dinge wie Arpeggios, ... melodisch Moll 7. Stufe oder die Changes eines Stueckes durch alle Tonarten im Kopf in der Metro, eine Art auswendig lernen. Zugfahrten nutze ich zum schreiben der Uebungen etc. Ja man kann fast jede Minute zu irgendwas nutzen, wenn ich es nicht fuer den Job oder zur Rast nutze. Und letztes, ist mindestens so wichtig fuer mich. Zu den Licks, das mache ich nur zur Arbansubstitution, ansonsten mag ich Licksueben nicht.

cheers

trompeti
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Beitrag von buddy »

Ok, ich bin auch kein Lick-Fetischist. Ein schönes "Substitut" habe ich kürzlich gefunden: statt dem sinnvollen, aber etwas langweiligen "Töne aushalten" der Klassik-Schulen lässt sich prima der erste Chorus von "(Maiden) Voyage" aus Jim Snideros "Intermediate Jazz Conception" üben.
hobbybläser
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Beitrag von hobbybläser »

buddy hat geschrieben:Ok, ich bin auch kein Lick-Fetischist. Ein schönes "Substitut" habe ich kürzlich gefunden: statt dem sinnvollen, aber etwas langweiligen "Töne aushalten" der Klassik-Schulen lässt sich prima der erste Chorus von "(Maiden) Voyage" aus Jim Snideros "Intermediate Jazz Conception" üben.
Kannst du die Noten posten? per E-Mail??[/b]
buddy
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Beitrag von buddy »

Eine Veröffentlichung außerhalb des Verlages wäre wohl ein Copyright-Verstoß, der schnell teuer werden kann (Anwaltsschreiben, Abmahnung, Klage auf Unterlassung...).
Für den schmerzfreien Einstieg in moderne tonale Jazzimprovisation ist die Jazz Conception Serie von Snidero neben Band In A Box m.E. eine äußerst sinnvolle Anschaffung.
Leider finden sich nur bei der "Intermediate"-Ausgabe, der zeitlich neuesten Veröffentlichung kurze Analysen der Lines im Anhang. Dafür fehlen leider die Angaben zu den Originalen der verwendeten Akkordfolgen. Sie sind aufgrund der Akkordfolgen zwar leicht zu erraten, aber "Neulingen" fehlt ja gerade diese Repertoirekenntnis. Die Titel sind nicht immer eine Hilfe, so beruht z.B. "Splank Street" eben nicht auf "Splanky", sondern auf "All Of Me", gegenüber der sehr skeletthaften "New Real Book"-Fassung erweitert um eine Intro in der parallelen Molltonart.

Vielleicht finden sich ja Forumsmitglieder, die Interesse an Analysen der Stücke bzw. dem Ideenaustausch darüber haben. Also welche Skalenschnipsel, Arps, Akkordsubstitute usw. tauchen auf und warum.

Durch Üben und Analysieren der Snidero Etüden kann man sehr schnell ein Repertoire an universellen Werkzeugen aufbauen, die in der Improvisation wichtig sind, z.B. Rhythmic (Dis)placements, Approach Tones - Neighbour Tones, Guide Tones und ein paar Clichées.

Mir hilft als wesentlich mehr als das "woodshedding" von "Scales & Arpeggios".
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Beitrag von Tobias »

buddy hat geschrieben:Vielleicht finden sich ja Forumsmitglieder, die Interesse an Analysen der Stücke bzw. dem Ideenaustausch darüber haben.
Ich habe mit den Snidero-Etueden bisher noch nicht gearbeitet, daher kann ich da nichts beitragen.

Was mir in diesem Zusammenhang geholfen hat, ist folgendes:

Nimm einen Bebop-Head und uebe ihn (selbstverstaendlich ohne Noten) durch die Tonarten. Fange also jedes Mal mit einem anderen Anfangston an.

Das ist gut fuers Ohr und man lernt Strukturen, die gut klingen und auch wirklich in der Praxis einsetzbar sind.

Ich habe das mit Ornithology gemacht.

Man kann natuerlich auch mit einfacheren Nummern anfangen, z.B. Autumn Leaves oder Blues Bossa.

Selbst Solos transkribieren ist auch eine super Sache, daraus kann man dann Material, was einem besonders gut gefaellt, isoliert auschecken und ueben, an besten auch durch die Tonarten.

Vielleicht koennen wir ja mal unsere Lieblingslicks posten?

Keep swingin'

Tobias

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Beitrag von buddy »

Latin Nummern in gemäßigtem Tempo wie Blue Bossa sind überhaupt ein prima Einstieg.

Transkriptionen habe ich schon gemacht, aber es hält mich als AuD zeitlich sehr auf. Streng genommen sollen Transkriptionen zwecks Hörerziehung ja nur mit Bleistift und Notenpapier durchgeführt werden, also ohne Töne erfummeln auf dem Instrument. Z.B. Nils Lan Doky hat sich dazu in seinem Buch "Jazz Transcription" nachvollziehbar geäußert. Das kann ich aber schon gar nicht, ich brauche unbedingt mein Keyboard, um das Gehörte nachzuspielen und dann aufzuschreiben bzw. ein Midi-Record zu machen. Praktischer finde ich es deshalb, veröffentlichte transkribierte Soli zu analysieren.

Der pädagogische Nutzen der Snidero Etüden liegt für mich in der Klarheit der Linien, bzw. bei Standards in der starken Akkordbeziehung des Materials. Wird dies als vorläufiges Konzept von einem Improvisationseinsteiger übernommen, besteht von Anfang an hohe Sicherheit bezüglich der gut klingenden Töne. Zusammen mit der Rhythmik-/Phrasierungshilfe durch die Etüden ist das Ergebnis bei Beschäftigung mit allen drei Bänden ein recht ordentliches Repertoire an solistischem Können über Jazzklassiker. Außerdem entsteht ein gut klingendes freies Spiel, da man im Idealfall auch ohne jede akkordische Begleitung solieren kann und das Stück trotzdem identifizierbar bleibt.
Dazu hat sich z.B. Joe Lovano auf seiner DVD über Improvisaton geäußert.
Fängt man dagegen mit den bei Trompetern, Saxern und Gitarristen so beliebten "Skalen über tonale Zentren" als Improvisationsgrundlage an, ist auf absehbare Zeit ein "Land unter" wahrscheinlich, falls man nicht zufällig ein Super-Talent ist. Soli von Normalspielern, die so anfangen, sind m.E. am "gedudelt" statt "gespielt" erkennbar. Leider kenne ich es auch von Musikerziehern, die selbst hervorragende (Jazz-)Solisten sind, dass dieser für Spieler und Zuhörer schnell frustrierende Zustand bei den Schülern als zwangsläufige Entwicklungsphase hingenommen wird. Würde so ein Spieler stattdessen einmal die erste Strophe von "Basie's Blues" aus Snideros "Easy Jazz Conception" hören und nachspielen, würde er vielleicht erkennen, wie wenig Töne und viele Pausen (=Rhythmik) einen hübsch klingenden Solo-Chorus ergeben.
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