Improvisation für Dummies (AuD)

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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buddy
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Wenn man mit Büchern über Improvisation arbeitet, stellt sich oft heraus, dass in den vielen ein paar interessante Häppchen stehen, aber oft fehlt etwas, um den Kreis zu schließen. Die beiden heute vorgestellten Werke haben den Vorteil, dass sie richtige Arbeitssysteme vorstellen. Damit entlasten sie den Spieler, der einfach dem vorgeschlagenen Weg folgen kann. Außerdem sind beide bei hoher Qualität recht unterschiedlich im Ansatz.
buddy
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

In Ergänzung zu meinem Beitrag über Berkmans "Guide To Creative Practicing" bleibt noch anzumerken: die beiliegende CD enthält keine notierte Entsprechung im Buch. Gespielt werden beispielhafte Solos als Anwendung des besprochenen Stoffs, sogenannte "Sample Solos". Gespielt wird meist auf dem Klavier, zweimal auf dem Tenorsax. Der gelegentliche Hochschuldozent Berkman (Groningen, NL) wendet sich damit klar an fortgeschrittene Spieler, auch wenn er x-ter Autor zu Beginn des Buches die Akkordskalentheorie zum x-ten Mal zusammenfasst. Der größte Teil ist Single Line Soloing, insgesamt ist das Buch u.a. durch das Extra "Multi-Line" Playing für (Auch-)Pianisten besonders nützlich.
Einen vollständigen Überblick zum Inhalt gibt der CD-Index:
01 Blues: Bebop Scales
02 Blues: Bebop-like Scales (Bebop Plus Chromatics)
03 Blues: Diatonic 4ths Over Bb Blues
04 Blues: 8th Note Displacements Of Diatonic 7th Arpeggios
05 Blues: Chromatic Approach Notes, Scale Fragments, Arpeggios Over G7
06 Blues: Guide Tones
07 Blues: Embellished Guide Tones
08 Body And Soul: Improvising Around The Melody
09 Body And Soul: Dick Oates, ts: Around The Melody Solo
10 Body And Soul: Melody Voiced According To Given Rules
11 Body And Soul: Bebop-like Scales (Bebop Plus Chromatics)
12 Giant Steps: Joel Frahm, ts: Theme And Scalar Solo
13 Giant Steps: Composed Solo
14 Giant Steps: Harmonic Displacements
15 Giant Steps: Solo In 3rds
16 Giant Steps: Solo In 4ths
17 Giant Steps: Solo In Mixed 4ths, 5ths & Tritones
18 Rhythm Changes: Solo using Common Substitutions
19 Rhythm Changes: Harmonic Variations
20 Rhythm Changes: Harmonic Variations
21 Rhythm Changes: Harmonic Variations
22 Metronome & Rhythm: Improvising Rhythms Over Metronome, Sung And Then Played
23 Metronome & Rhythm: Up Tempo Free Soloing
24 Just in Time Soloing, One Line Divided Betwen Two Hands
25 Just in TimeSoloing, One Line Divided Betwen Two Hands & Sustained Notes
26 Just in Time: Melody & Counterline
27 Just in Time: Mixed Tools
28 Giant Steps: 4-Voice Multi-Line Playing Piano
29 Giant Steps: 4-Voice Multi-Line Playing Piano
buddy
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Wispy - Blues Improvisation

Beitrag von buddy »

In den letzten Wochen durften wir Jazzer im Forum einige neue Mitglieder begrüßen, die beim Improvisieren noch nicht sooo erfahren sind. Daher stelle ich hier einen einfachen Blues vor, an dem sich in den folgenden Beiträgen einige Prinzipien aufzeigen und diskutieren lassen.

Das PDF steht hier: http://www.dobop.de/wispy.pdf
Ein Soundfile zum Abhören der Phrasierung folgt demnächst.

Das Thema passt übrigens auf die Akkorde von "Basie's Blues" im sehr empfehlenswerten "Easy Jazz Conception" von Jim Snidero. Man kann also das Play-Along von der dort beiliegenden CD nehmen, falls kein Band-in-A-Box zur Hand ist. Warum ich nicht gleich Basie's Blues "zerlege"? Weil ich dann Probleme mit dem Copyright von Snidero und Advance Verlag kriegen könnte. Aber: die Akkorde sind frei, wer kann sie erraten...

Übrigens, in 9 Wochen ist Weihnachten, Band in A Box und/oder Frank Sikora, Die Neue Jazz Harmonielehre, Schott Verlag, wären da ein Tip für den Wunschzettel. Vorher mal bei http://www.pgmusic.com reinschauen, es gibt von Band In A Box einige verschiedene Ausgaben. Brauchbar ist es aber auch gebraucht ab BIAB 12 (ca. 2002, läuft bei mir unter aktuellem XP Pro auf Intel Dual Core), möglichst als MegaPak.

Hier ist unser Bluesthema:
Bild
wheelinwolf
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von wheelinwolf »

Hallo Buddy,,
kannst du mal eine Liste reinstellen welche Standards den Changes von easy jazz conception entsprechen?

5 Rock on =Watermelon man
6 Important events =Milestones
9 Dukes convoy = Caravan
12 Prince charming = someday my prince..

Wäre nett
Danke Wolfi
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Vorweg eine kleine Korrektur. In Takt 5 meines Blues steht im jpg oben ein Druckfehler (b-Versetzungszeichen im überbundenen C). Hier ist der korrigierte Link:
Bild

Das fröhliche Alias-Raten ist so eine Sache, manche der (Original-)Stück habe ich noch nie gespielt.
Deine Angaben habe ich hier mitübernommen, damit die Lücken klar sind. Gelegentlich forsche ich da mal weiter.

01. Basie's Blues spielt mit Grundelementen wie den Stops oder dem dynamischen Aufbau unzähliger Basie Bluesstücke.
02. Morning Calm
03. So Long Birdie - Bye, Bye Blackbird; F Dur klingend passt, die Akkordfolge fast durchgängig auch (New Real Book II), das Intro wurde weggelassen.
04. Hot And Humid
05. Rock On - Watermelon Man; Die Akkord-Struktur passt, die Dominantakkorde sind aber reduziert:
D9sus///|D9sus///|D13///|D13///|
G7///|G7///|D7///|D7///|
A13///|G13///|usw.
06. Important Events - Milestones
07. Shufflin' In F
08. Bossa At Night - Corcovado (Quiet Nights of Quiet Stars)
09. Duke's Convoy - Caravan
10. Mist And Grits- Misty (mit geringfügigen Abweichungen)
11. Caliente Blues
12. Prince Charming- Someday My Prince Will Come
13. Bird's Backyard - Yardbird Suite (mit kleinen Variationen der Akkorde im Vergleich zum Omnibook)
14. Us
15. Love Is Easy
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Hallo Freunde, hier ist die Ergänzung der Titel. Wie man sieht, sind die Blues Varianten zu allgemein, um sich auf konkrete Originals beziehen zu können. Jim Snidero höchstpersönlich war so freundlich, per E-Mail Antwort unsere Liste ratz fatz zu ergänzen. :huepf:

Hier also eine Welt Premiere: "Easy Jazz Conception", komplett identifiziert:
01 Basie's Blues - Blues im Basie Stil mit Schlußteil (Tag)
02 Mornig Calm - Softly, As In A Morning Sunrise
03 So Long Birdie - Bye, Bye Blackbird
04 Hot And Humid - Summertime
05 Rock On - Water Melon Man
06 Important Events - Milestones
07Shufflin' In F - Blues (Shuffle: http://de.wikipedia.org/wiki/Shuffle)
08 Bossa At Night - Corcovado (aka Quiet Nights of Quiet Stars)
09 Duke's Convoy - Caravan
10 Mist And Grits- Misty (mit geringfügigen Abweichungen)
11 Caliente Blues - 24 Measure Blues
12 Prince Charming- Someday My Prince Will Come
13 Bird's Backyard - Yardbird Suite (mit kleinen Variationen der Akkorde)
14 Us - Just you, Just me
15 Love Is Easy - Easy to Love
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von FlüTro »

Für alle, die völligst abdrehen wollen: Axel Jungbluth - Jazz-Harmonielehre.
Das hab ich jetzt 3mal versucht durchzulesen und zu verinnerlichen.
verstehen tut man das schon, im Sinne von Lesen und sagen, ja da kann ich passiv-verbal folgen,
aber real und aktiv verinnerlichen - für meinen Teil - never.

Mir fiel auf, dass die meisten Stücke ploymodal sind, dass zum Teil die Modi von
Takt zu Takt wecheseln, und noch vieles andere.

Verstehen - verinnerlichen - analysieren - umsetzen : das kann ich mir kaum vorstellen,
und das nach fast 40 Jahren aktiv musizieren.

Die, die ich kenne, die das können, die haben alle weder Jungbluth, noch Snidero oder Aebersold gelesen.

Ein extremst versierter Jazzpianist meinte: das findet einfach statt. Durch jahre - jahrzehnteslanges
und sehr sehr vieles Üben, gepaart mit einem Talent das so zu tun,
wird die Grenze zwischen Klangvorstellung, Gehirn, und Finger aufgehoben.

Deshalb glaub ich diese ganze Jazztheorieanleitungsgeschichte nur zu einem sehr kleinen Teil.

Peter
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Jungblut ist für mich kein Vergleich zum Buch von Frank Sikora. Jungblut ist deutlich schwerer bis gar nicht zu verstehen, auch für professionelle Kollegen. Es gab darüber vor über 20 Jahren mal eine ausführliche Auseinandersetzung mit Rainer Brüninghaus anläßlich Jungbluts Analyse von "A Night In Tunesia".

Natürlich brauchen "Naturmusiker", "Genies" oder auch nur "Musiktalente" all die Hilfestellungen und Jazzpädagogik nicht. Viele sehr bekannte und erfolgreiche Musiker des letzten Jahrhunderts konnten weder richtig gut Noten lesen, geschweige denn schreiben, noch waren sie in der Lage, harmonische Analysen über Stücke zu verfassen. Das hindert nicht an genial gespielten Linien, Chet Baker ist wohl das bekannteste Beispiel dafür.
Irving Berlin ist eine amerikanische Ikone der Popularmusik mit unzähligen Hits, konnte aber nur sehr bescheiden Klavier spielen.

Wer das Glück nicht hat, "intuitiv" richtig bei den Großen abzuhören, wie es gemacht wird, es nachzuspielen oder gleich mit eigenen Ideen direkt auf dem Instrument zu improvisieren, steht vor einer Wahl: entweder macht man sich mit seinem Hirnschmalz an die Sache und bildet sich systematisch aus oder man wird eben nie über die handelsüblichen Akkordfolgen des Jazz solieren können.

Jim Snidero, Fred Lipsius, Bob Mintzer, Jamey Aebersold und viele andere sind ja auch ausübende Jazzmusiker mit erheblicher Reputation. Sie alle vertreten aber offenbar klar und deutlich eine andere Ansicht als dieses "im Blut haben oder nicht".
Ich wende mich aus eigener Erfahrung ausdrücklich an "Amateure und Durchschnittstalente", die sich nicht selbst alles von den Großen ablauschen können.
wheelinwolf
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von wheelinwolf »

Danke Buddy,
wieder mal eine gute Idee von dir den Herrn Snidero anzumailen.

Ich habe das Jazz Theorie buch von Levine, das ist zwar gut verständlich aber nur vom Lesen kann man da immer noch nicht improvisieren. Ich gehe da von 5 Seiten ran:
Snidero Easy Jazz Conception und Abersold Bd54

Real book mit Band in a box (meist auf meine intuitive Art, aber manchmal schon mit vorher schauer wo die II V I Verbidungen sind)
Auswendig Terzschichtungen und Accorde in allen Tonarten durchdenken (gute Einschlafmethode)

Viel Musik hören (fast ausschließlich jazz, immeröfter mal ohne Bläser wobei mir das nätürlich besser gefällt)

und das wichtigste Spielen mit meiner Band

Aber: dass ich irgendwann mal ein Accordsymbol sehe und "in time" weiß, welche Töne/Scalen dazu gehören, glaube ich, ist ein langer Weg, vielleich nie

Gruß Wolfi
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von supertobi »

Das Buch von Snidero wirkt auf mich abschreckend. Obwohl ich durch Studium und Promotion durchaus gewohnt bin, viel zu lesen und damit mein Hirn vollzustopfen, erschlägt mich diese Harmonielehre einfach. Man gewinnt doch den Eindruck: das dauert mehr als ein Menschenleben, um das alles wirklich zu verinnerlichen.

Aber ich bin zu einer Erkenntnis gekommen, die mich sehr erleichtert: man muss das nicht alles verstehen, und ganz besonders nicht alles auf einmal und sofort. Buddy hat natürlich völlig recht, wenn er sagt, dass wir "AuD"-Trompeter uns das Improvisieren erarbeiten müssen. Aber das spielt sich doch größtenteils am Instrument ab.

Nur ein Beispiel: Meiner Meinung nach muss man nicht genau wissen, warum es Avoid Notes gibt. Und man muss auch nicht auswendig auflisten können, ich welcher Skala welche Stufe eine Avoid-Note ist. Denn man muss kein musikalisches Genie sein, um (beim Üben mit Playalong) zu hören, welche Töne der Skala nicht gut klingen, wenn man sie liegen lässt (=Avoid Notes). Soviel Talent hat wahrscheinlich jeder von uns.

Natürlich ist es trotzdem förderlich, wenn man theoretische Kenntnisse hat. Ich empfehle daher ausdrücklich, den Sikora zu lesen. Ich glaube eben nur, dass man nicht verzweifeln muss, wenn man nicht alles auf Anhieb kapiert. Vieles automatisiert sich durch das Üben, auch ohne dass wir es analytisch nachvollziehen. Sonst wäre die Aufgabe auch gar nicht zu bewältigen. Für niemanden.

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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von supertobi »

wheelinwolf hat geschrieben:Aber: dass ich irgendwann mal ein Accordsymbol sehe und "in time" weiß, welche Töne/Scalen dazu gehören, glaube ich, ist ein langer Weg, vielleich nie
Ich glaube das geht schneller als du denkst.

Nimm dir einen Standard und das dazugehörige Playalong, am besten BiaB schön langsam. Dann spielst du dazu:

1. Die Akkorde als Akkordbrechung (1 3 5 7)
2. Die Akkorde als Akkordbrechung (7 5 3 1)
3. Eine Phrase zu den Akkorden (z.b. 1 2 3 5)
4. Eine Phrase zu den Akkorden, die nicht mit dem Grundton anfängt
5. Zu jedem Takt die passende Tonleiter, von unten nach oben
6. Zu jedem Takt die passende Tonleiter, von oben nach unten
7. Zu jedem Takt die passende Tonleiter, taktweise abwechseln nach oben und nach unten

Und dabei natürlich immer die Changes mitlesen.

So programmierst du die Griffe/Töne als Reaktion auf die visuelle Wahrnehmung der Akkordsymbole. Und alsbald wirst du ein Akkordsymbol sehen und die richtigen Töne greifen.

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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Eines ist mir noch eingefallen, was gern vernachlässigt wird: man sollte unbedingt ein paar "Rhythm Patterns" drauf haben. Dann entsteht eher aus einer Akkord- oder Skalenübung etwas Muskalisches.
Der Test ist einfach, man stellt das Metronom auf 2 und 4, startet die Aufnahme des Computers (Audacity o.ä.) und klopft einen 2-taktigen Rhythmus, dann notieren. Eine gute Idee sind auch reine Rhythmus-Transkriptionen, nur ein paar Takte.
Oft fällt hören etwas schwer, weil zu viel Information auf einen Rutsch verarbeitet werden soll. Übt man nur einzelne Arbeitschritte, sortiert das Hirn später automatisch, weil es die schon "bekannten" Sinneseindrücke weniger beachten muss als das, was neu ist (Information vs. Redundanz). Beispiele wären Rhythmus Clichées getrennt üben, Skalen aufteilen und üben statt gleich im Ganzen zu probieren.

Bei vielen "Amateur" Improvisationen hört man auf Anhieb, dass die rhythmische Kontrolle fehlt. Hat ein Spieler aber eine gute rhythmische Kontrolle, genügt auch ein einfacher Soloaufbau oder nur wenige Töne, denn es "groovt".

Soweit ich weiß, hat Snidero keine Harmonielehre geschrieben, sollte Levine gemeint sein?
Ich denke jedenfalls, dass der Einstieg in die Materie mit dem so hervorragend "pädagogisch wertvollen" Buch von Frank Sikora leichter fällt. Wobei mir beide Levine Bücher schon sehr gut gefallen.
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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von supertobi »

buddy hat geschrieben: Soweit ich weiß, hat Snidero keine Harmonielehre geschrieben, sollte Levine gemeint sein?
Ich denke jedenfalls, dass der Einstieg in die Materie mit dem so hervorragend "pädagogisch wertvollen" Buch von Frank Sikora leichter fällt. Wobei mir beide Levine Bücher schon sehr gut gefallen.
Sorry, ich meinte das Buch von Sikora. Und versteh mich nicht falsch: ich finde es ganz hervorragend. Es ist letztlich auch sehr verständlich geschrieben. Aber:

Dennoch erschlägt es einen in seiner Fülle an "Übeanleitungen". Schon auf Seite 72, und da geht's eigentlich gerade erst los, steht folgende Übung: man soll etwas mitsingen und dabei denken "Jetzt bin ich auf der IV., der VII., der III. Stufe usw.", "Jetzt singe ich die 5, die b3, die maj7 vom momentanen Akkord", etc. Jetzt, da ich diese Worte schreibe, kommt mir das gar nicht so schwer vor. Aber ich erinnere mich noch gut, dass ich völlig überfordert war, als ich es das erste mal gelesen habe. Da habe ich nur gedacht "das soll ich können"? Ich hab es damals einmal probiert und frustriert aufgegeben. (Interessant ist auch, dass mir das heute leicht fällt, obwohl ich es nicht direkt geübt habe. Ich hab's quasi unbewusst am Instrument gelernt. Und ich bin eher durchschnittlich talentiert.)

Oder, willkürlich aufgeschlagen, Seite 493: "Schreibt nun alle (Hervorhebung im Original) Stimmführungen von jedem möglichen Anfangston aus auf." Entspricht das deinem AuD-Konzept? Also ich finde das ein bisschen übertrieben. Natürlich ist es sinnvoll, sowas zu machen. Aber wenn man als Amateur nur begrenzte Zeit hat, dann sollte man sich meiner Meinung nach nicht mit solchen Übungen "aufhalten". Oder erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium.

Fazit: Das Buch von Sikora ist ohne Frage sehr gut. Aber es birgt zwei Gefahren: 1. Man fühlt sich überfordert. 2. Man neigt dazu, zuviel Zeit abseits des Instruments zu verbringen, weil man irgendwelche Sachen in allen Tonarten ausnotiert.

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Re: Improvisation für Dummies (AuD)

Beitrag von buddy »

Sikora will sicher Viele ansprechen, vom "ich habe kaum Zeit zum Üben" Hobby-Jazzer, der ein Nachschlangewerk braucht bis zum ganz ehrgeizigen Nachwuchs, der nach einem Arbeitsplan sucht, den ihm Musikschule/-verein nicht geben können.
Ich nehme so etwas immer nur als Anregung, nicht mehr. Das vermeidet Frust aus der Einsicht, dass ich bis zum Lebensende schon rein zeitlich nicht mehr alle guten, sinnvollen oder unverzichtbaren Übungen machen kann, die in den Werken meiner "kleinen" Notensammlung stehen.

Die von Sikora und auch hier variierte Top-Gehörbildungsübung für Jazzer stammt ursprünglich von Jamey Aebersold. Er empfiehlt, Akkordtöne zu den Changes zu singen. In meiner Version geht es so:
Man legt eine Platte aus der Aebersold-Reihe nebst Begleitheft mit den Akkorden auf und singt die Terzen aus den Changes, im nächsten Chorus die Septimen.
Nächster Schritt wären Guide Tone Lines.
Das Spiel geht natürlich auch mit Intervallen, Arpeggios, Alterationen von Dominantakkorden, Approach Notes auf Akkordton-Folgen, Umspielungen oder mit Skalen (in Ausschnitten oder komplett). Auch ein paar Umkehrungen sind sinnvoll.

Erst ab Grundton singen, dann zumindest auch ab Terz. Die Terz einer Skala ist ein beliebter Einstiegston für Soli. Die Bebop-Erweiterungen der Skalen nicht vergessen. Sie bringen guten Fluss in die Linien, weil dann die Akkordtöne auch im zweiten Takt "automatisch" auf down beats fallen.
Oder in "Reinform" Achteltönen z.B. den ersten Takt vom Grundton ionisch aufwärts singen und den zweiten Takt (Abwärtsfolge) mit der 9 beginnen, falls Tonika maj7 zugrunde liegt.
Es versteht sich von selbst, das die Übung erst mal mit langsamen, einfachen Stücken anfangen sollte. Notizen der "choices" sind hilfreich, damit man sich kontrollieren kann - oder das Ganze aufnehmen.
Ein Variante der Übung wäre singen und (still) die passenden Ventile drücken, wenn man sich schon sicherer ist.

Das ganze funktioniert sogar noch besser mit BIAB, weil man da die Akkorde der Piano-Begleitung sehr einfach manipulieren kann, z.B. ganz stikte Akkordtöne vs. Wynton Kelly Style usw.

Es ist nicht unbedingt Zeitverschwendung, ohne Instrument zu üben. Bei der Trompete ist ja die Puase genauso wichtig wie das Spielen :lol:
Was nützt der schönste Ton, wenn man nicht mal ein mittelschweres Blues-Thema ohne Noten nachspielen und darüber improvisieren kann?
Idealerweise bedeutet Improvisieren die unmittelbare Verknüpfung einer musikalischen Idee im Kopf -> die Körpermechanik reagiert ohne großes Nachdenken/herumprobieren -> Output am Instrument.
Das ist Einigen gegeben, wie auch Sikora treffend bemerkt. Andere wie z.B. ich müssen sich da über Jahrzehnte heranrobben.
buddy
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Ferien-Kurs: Jazz-Improvisation ganz praktisch mit BIAB

Beitrag von buddy »

Ein gutes Gehör ist auf Dauer die vermutlich wichtigste Eigenschaft für Improvisatoren. Als Schulung mit Spaß-Effekt bietet sich dazu das Nachspielen relativ kurzer Phrasen an. Durch diese Methode werden auch recht gut Blockierungen der Kreativität gelöst (improvisatorischer Blackout), die man sich durch peinliche Erfahrungen des Unvermögens oder alberne Glaubenssätze über Jazz "reingezogen" hat. Außerdem bietet es sich an, dabei Material aus Skalenübungen, Arpeggien, Umspielungen und abgehörten Phrasen auszuprobieren.

Hat man einen Improvisationslehrer zur Hand, werden solche unendlich erweiterbaren Übungen wahrscheinlich fester Bestandteil des (Anfänger-)Unterrichts sein.
Hat man keinen Lehrer, lohnt sich für absolute Anfänger für einen frustfreien Einstieg erst einmal ein Versuch mit diesen einführenden Heften: http://www.trompetenforum.de/TF/viewtop ... 691#p97691
Weitere vertiefende Literatur wurde in diesem und anderen Threads mehrfach vorgestellt.

Ein großartiges Werkzeug für vieles, was man mit Musik anstellen kann, ist Band-in-A-Box: http://www.pgmusic.com
Für Anfänger mit diesem Programm ist die folgende Anleitung zum Improvisationstraining gedacht. Jede Version ab 12 oder neuer tut es, wegen der äußerst sinnvollen Erweiterungen des Programms kauft man es am besten gleich als Mega oder Ultra Pak.

Vorgestellt wird eine einfache Übung, die Variationen und ansteigenden Schwierigkeitsgrade sind dann sehr leicht erweiterbar.
BIAB möchte nach dem Starten zuerst ein paar Akkorde, die wir mit der Tastatur eingeben:
cm7 -> Eingabetaste, zeigt Cm7 im Fenster. Da das Programm normalerweise halbtaktig vorgeht, nochmal Eingabetaste. Jetzt sind wir in Takt 2, cm7 -> Eingabetaste, dann das Gleiche mit f7 und im vierten Takt noch mal f7.
So steht in einer Zeile taktweise Cm7, Cm7 F7, F7.
Nun Takt 1 bis 4 mit der gedrückten Maustaste markieren, mit Tastenkombination ALTGR - C kopieren und in Takt 5 mit ALTGR - V einfügen, dann in Takt 9 und 13 ebenfalls einfügen.
Jetzt haben wir vier Zeilen von je 8 Beats (zwei Takten) Cm7- F7, der häufigsten Akkordverbindung in der Popularmusik (die sog. II-V-Verbindung). Die blaue Markierung in Takt 1 können wir durch Anklicken auf grün umstellen, die blauen Markierungen von Takt 5, 9 und 13 durch 2x Anklicken entfernen. Wird ein Takt sehr schnell 2x angeklickt, beginnt das Programm ab da zu spielen. Durch Anschlag der Leertaste lässt es sich wieder anhalten (bzw. durch doppelten Anschlag starten).
Bild

Wichtig! Nun stellen wir BIAB auf die Transposition für unsere Bb-Trompete um. Es soll also ein C klingen, wenn ein D angezeigt bzw. auf der Trompete gespielt wird. Dazu wird das Notation-Fenster geöffnet (Tastenkombination STRG-W), darin der OPT.-Schalter gedrückt und in der Mitte dieses kleineren, grauen OPT.-Fensters die Transposition "Trumpet +2" eingestellt. Mit OK bestätigen und mit Klick auf den Achtelnoten-Schalter links über dem Notations-Fenster oder mit STRG-W das Notations-Fenster wieder schließen.
Bild

Statt eines Cm7 steht jetzt ein Dm7 im Bearbeitungsfenster, erklingen wird ein C-Moll7 Akkord im jeweils ausgewählten Rhythmus/Style. Im Notation-Fenster kann man nach dem Drücken auf einen der Schalter mit den Buchstaben (die MIDI-Stimmen) die jeweilige Stimme sehen, Partituren sind nicht möglich. "Klassiker" mit Hang zur strengen Tonalität werden anfangs staunen, mit welchen Tönen BIAB bei manchen Stilen auf dem Piano seine Begleitakkorde spielt (voicing). Übrigens oft sehr ähnlich wie Jamey Aebersold und andere gute Comper.

Für unsere Zwecke wären zu Beginn 2 Styles besonders interessant. Wir nehmen den ganz schlichten Jazz Style "ZZJAZZ.STY" für Swing-Feel. Der ebenso schlichte Latin "Z3BOSSA.STY" wäre gut für Übungen mit geraden Achtel und sehr skalenorientierem Spiel geeignet. Mit entsprechender Sicherheit kann natürlich mit allen möglichen Stilen experimentiert werden, BIAB schlägt dabei je nach Wahl verschiedene SOLOIST-Modelle vor.
Die Länge des Chorus wird auf 16 gesetzt und der Loop auf 3, S kann einfach so bleiben, dadurch werden die Harmonien unserer Dm7-G7 Folge am Ende nach den 3 Durchgängen 2 -taktig nach Cj aufgelöst.

Nun kommt der Sessionpartner bzw. Lehrerersatz ins Spiel, er heißt hier "SOLOIST". Der Funktionsumfang und die Editiermöglichkeiten des SOLOIST sind wie alle Programmoptionen bei BIAB riesig, für unseren Zweck zum Einstieg ein einfaches Rezept:
Den Soloist starten mit Menüauswahl
Soloist -> Generate... (Umschalt-F4),
Auswahl 1 Bebop Saxophone, im gleichen Fenster Mitte rechts geht es weiter mit
Change Instrument -> Trumpet, darunter
Solo Mode Trade 4's
Bild

Nun muss nun noch in einem neuen Fenster der für uns ziemlich große Range des Alt-Sax auf einen übungsmäßig lockeren mittleren Trompetenbereich und zu Beginn auf relativ wenige Töne eingestellt werden:
Edit Soloist Maker -> neues Fenster geht auf, in der Mitte links steht
Note Range -> 60 (Midi-Note c') to 80 (ca. g'')
Eine andere Option wäre z.B. 65 to 72, damit die Phrasen erst einmal weniger verschiedene Töne enthalten, in diesem Fall nur welche von g'-d''. Noch eingeschränkter wären 65 - 67, dann bleiben nur 1-2 Töne nachzuspielen. Die Zahlen legen die (Midi)Noten nicht zu 100% fest, da sonst die anderen Programmoptionen teilweise nicht mehr ausführbar wären.

Als "Phrase Length" sind "8 to 20 Beats" angegeben, Space 25%, Space Length "2 to 2 Beats".
Wichtig ist noch der "Outside Range". Damit nicht zuviel schwerer zu hörende Chromatik ins Spiel kommt, würde ich den Bereich anfangs auf "1 to 3" begrenzen.
Bild

Sollte es mit dem Nachspielen immer noch nicht so recht klappen, kann man die Tonauswahl bis zum reinen Rhythmus-Nachspiel auf einer Note einschränken, den Outside-Range auf 1 to 1 stellen und beim Spielen das Tempo drosseln.
Damit man das "improvisierte" Ergebnis des Soloist auch sehen kann, müsste man im Notations-Fenster den rechten der beiden M Schalter drücken, aber eigentlich geht es hier um Gehör-Bildung und nachspielen, nicht ums Noten lesen.
Ich arbeite bisher mit BIAB Version 12 (ca. 2002). Daher weiß ich nicht, ob neuere Versionen auch Trade 2's ermöglichen, was natürlich zunächst einfacher wäre.

Nächste Übung wäre "Frage-Antwort" statt Nachspielen. Also das Spielen einer eigenen improvisierten Phrase als Reaktion und mit Bezug auf das Gehörte. Dazu übernimmt z.B. man den Schlusston, zum Teil oder im Ganzen den Melos oder den Rhythmus der Phrase. Das wären dann schon die echten Trade 4's.
Klappt es mit einfachen Patterns, erhöht man den Range und/oder die Chromatik. Eine andere Variante für mehr Komplexität wäre die Auswahl moderner SOLOIST-Modelle wie Freddie Hubbard oder Michael Brecker.

Eine gute Idee wäre auch die Übernahme von ein paar Takten aus einem der Snidero-Stücke, oder gleich einem ganzen Standard. Genauso geht es mit Blues oder komplizierteren Akkordverbindungen, die Möglichkeiten sind scheinbar unendlich. Witzig wäre auch, Melodien von Snidero oder aus dem Real Book einzugeben und dann solistisch umspielen zu lassen (Auswahl Around Melody). Es gibt auch eine Standard Sammlung mit Originalmelodien für BIAB. Darüber hinaus sind je nach Ausgabe eine ganze Reihe von Klassik, Rock, Pop und Jazz-Stücken dabei, die man für die weitere Bearbeitung und zum Training heranziehen kann.

Diese Art des Übens ist m.E. deutlich unterhaltsamer und effektiver als das Spielen mit Aebersold Vol. 1.
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