Skalen

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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feelingtrp
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Skalen

Beitrag von feelingtrp »

Tag,

Über Improvisieren wurde zwar schon viel geschrieben, aber ich hab nur eine einzige Frage und hoffe, dass mich niemand auf die Suche verweist.

Über welche Skala muss ich Improvisieren. Ich weiß, dass ich bei z.B. einem Moll-Septakkord über dorisch, aeolisch und phrygisch improvisieren kann. Aber welche von denen nehme ich dann, oder ist das egal?

lg, Johannes
Der Ton macht die Musik!!!!!!!!!
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iTob
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Beitrag von iTob »

is keine direkte antw. aber:

ich denke man sollte zwar wissen, was man tut, wenn du bei der impro jeden ton "denkst" höret man dass und es klingt nich so richtig frei.....

ich hab z.b. nen schüler der alle rhythmen denke und nicht fühlt, das hört man, wenn er spielt und es is nich so prima....halt nich flüssig....
Steffen
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Beitrag von Steffen »

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach:

Es hängt von der Tonart ab, in der Du Dich bewegst. Dorisch ist am häufigsten, z.B. D-7 in C-Dur, Phrygisch (b9) bei E-7 in C-Dur, äolisch bei A-7 in C-Dur, also abhängig davon, ob sich der Mollseptakkord auf der 2.,3. oder 6. Stufe aufbaut.

Viele Grüße und viel Spass beim ausprobieren...

Steffen
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Tobias
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Beitrag von Tobias »

Hallo Johannes,

das kommt auf den harmonischen Zusammenhang an, in dem der Mollseptakkord steht.

Grundsaetzlich besteht der Akkord ja aus 4 Toenen:

1 b3 5 7

Diese kommen alle auch sowohl in dorisch, als auch in phrygisch und aeolisch vor. Losgeloest vom harmonischen Zusammenhang ist es also Geschmackssache.

Ist der M7 eine Tonika oder eine 2. Stufe in einer II-V-I, dann dorisch.

Phrygisch ist eher ein sus4-Sound, kommt also ueber M7 selten vor.

Steht der M7 z.B. in einer VI-II-V-I (z.B. Anfang von All the Things you are), dann ist er eine 6.Stufe und natuerlich aeolisch.

Da hilft einem die Funktionsharmonik weiter.

Aber immer am besten:

Ausprobieren und das Ohr entscheiden lassen.

dorisch, phrygisch und aeolisch unterscheiden sich ja nur in der 9 / b9 bzw. 13/b13, der Rest ist identisch

dorisch: 9, 13
phrygisch: b9, b13
aeolisch 9, b13

Halte einfach die b9, 9, b13, 13 rein, dann merkst du was passt.

Keep swingin'

Tobias

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Dobs
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Beitrag von Dobs »

Puh, ich glaube, wer NUR so an die Sache herangeht wird zwar vielleicht harmonisch "richtig" improvisieren, aber kein wirklich schönes Solo spielen. Wohl dem der ein Gefühl für Jazz hat und die Musik, die er im Kopf hat direkt am Instrument umsetzen kann. Ich zähle mich leider nicht dazu.
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Tobias
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Beitrag von Tobias »

@Dobs

Ich bin sicher, dass Kenntnisse in Harmonielehre nicht schaedlich sind.

Natuerlich gehoert zu einem schoenen Solo mehr dazu als die richtigen Toene, das ist klar.

Wenn du meine bisherigen Beitraege zum Thema Improvisation verfolgt hast, weisst du, dass ich von der Sklaendenke nicht sehr viel halte.
Dobs hat geschrieben:Wohl dem der ein Gefühl für Jazz hat und die Musik, die er im Kopf hat direkt am Instrument umsetzen kann.
Das hoert sich so an, als ob einem die Gabe, schoene Jazzsolos spielen zu koennen, angeboren sei. Das halte ich fuer totalen Quatsch!
Dobs hat geschrieben:Ich zähle mich leider nicht dazu.
Da man sowas lernen kann, kannst du das, wenn du willst, aendern!

Keep swinign'

Tobias

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Dobs
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Beitrag von Dobs »

Tobias hat geschrieben:@Dobs

Ich bin sicher, dass Kenntnisse in Harmonielehre nicht schaedlich sind.

Das habe ich auch nicht behauptet. Ich wäre froh, wenn ich davon mehr Ahnung hätte, aber ich tue mich damit leider ziemlich schwer.
Tobias hat geschrieben:
Dobs hat geschrieben:Wohl dem der ein Gefühl für Jazz hat und die Musik, die er im Kopf hat direkt am Instrument umsetzen kann.
Tobias hat geschrieben: Das hoert sich so an, als ob einem die Gabe, schoene Jazzsolos spielen zu koennen, angeboren sei. Das halte ich fuer totalen Quatsch!
Nein, angeboren sicher nicht. Ich glaube, nichts im Leben ist wirklich "angeboren", alles ist erlernbar. Und ganz sicher ist Harmonielehre auch wichtig. "Schöne" Jazzsolos zu spielen lern man aber letztlich durch durch ganz viel Zuhören und ausprobieren. Ich glaube nicht, daß Louis Armstrong wusste, welche tollen Akkordverbindungen er gerade spielt.
Tobias hat geschrieben:
Dobs hat geschrieben:Ich zähle mich leider nicht dazu.
Da man sowas lernen kann, kannst du das, wenn du willst, aendern!
Das ist sicher richtig und das versuche ich auch. Leider habe ich schon Schwierigkeiten damit, mir sämtliche Dur + und Moll-Tonleitern so reinzuhämmern, daß sie mir in Fleisch und Blut übergehen.
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kindofblue
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Beitrag von kindofblue »

Dobs hat geschrieben:
Tobias hat geschrieben:


Nein, angeboren sicher nicht. Ich glaube, nichts im Leben ist wirklich "angeboren", alles ist erlernbar. Und ganz sicher ist Harmonielehre auch wichtig. "Schöne" Jazzsolos zu spielen lern man aber letztlich durch durch ganz viel Zuhören und ausprobieren. Ich glaube nicht, daß Louis Armstrong wusste, welche tollen Akkordverbindungen er gerade spielt.
Armstrong vielleicht nicht. Armstrongsoli sind aber immer sehr nah am Thema und harmonisch relativ unspektaklär. Diejenigen die sich weit vom Thema wegbewegten, (Parker, Gillespie, Monk, Coltrane, Davis, etc. also alles was unter "modern jazz" fällt) wussten sehr genau was sie da harmonisch taten.
Steffen
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Beitrag von Steffen »

Da muss ich zur Ehrenrettung von Louis Armstrong doch mal einwerfen, dass es den ganzen Modern Jazz ohne ihn nicht gegeben hätte. Er hat sich zwar etwas abschätzig und verständnislos über die modernen Stilrichtungen geäußert, aber man muss ihm zugestehen, dass er die Grundlagen dafür gelegt hat. Es gibt auch etliche Musiker im modernen Jazz, die sich ausdrücklich auf ihn berufen. Er war schlicht ein musikalisches Genie, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er im Gegensatz zu den nachfolgenden "modernen" Jazzmusikern nicht so genau gewusst hätte, was er eigentlich tut. Es ist naiv, anzunehmen, dass jemand so etwas wie die Hot Five/Hot Seven Aufnahmen zustande bringen kann, alleine aufgrund seiner musikalischen Instinkte oder irgendwelcher Naturbegabung. Da gehört schon etwas mehr dazu. Schließlich ist diese Musik bis ins Detail geplant und organisiert und trotzdem sehr spontan entstanden. Ich bin mir sicher, dass er die harmonischen Strukturen dieser Stücke sehr genau kannte und mehr darüber wusste als alle anderen in seiner Zeit.

Viele Grüße,

Steffen
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Beitrag von tplady »

Ich möchte mich anschließen, auch wenn ich dem traditionellen Jazz nicht mehr ganz so treu bin, wie früher.

Armstrong begann zwar in New Orleans drauf los zu blasen. Aber später durchlief er die harte Schule seiner Frau Lil. Die war studierte Konzertpianistin und hat ihm allerhand beigebracht. Ich weiß es nicht genau, aber ich gehe davon aus, daß sie Satch auch mit Harmonielehre nicht verschont hat. Sie hat ihn auch genötigt das Blattspielen zu perfektionieren (obwohl Louis offenbar keine Lust dazu hatte).

Ich glaube, daß die Wahrheit irgentwo zwischen den traditionellen und dem modernen Jazz liegt. Beide Spielarten haben Vor- und Nachteile, finde ich. Ich bin momentan auf der Suche nach dem stilistischen Mittelweg.
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Dobs
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Beitrag von Dobs »

Armstrong konnte Trompete spielen und improvisieren, bevor er überhaupt Noten lesen konnte. Das Noten lesen und 'vom Blatt spielen' hat er erst richtig gelernt bei seinen Engagements mit diversen Unterhaltungsorchestern auf den Mississippi-Dampfern.
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Beitrag von kindofblue »

WIe gesagt: Ich bin der Meinung daß das was Armstrong gemacht hat keine tiefgreifenden harmonischen Kenntnisse benötigt (wobei ich ihm nicht seine Rolle in der Geschichte des Jazz streitig machen oder seine Leistungen schmälern will), kann dir aber versichern das die für die Entstehung des Bebop und allem was dannach kam enorm wichtig waren.
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Beitrag von Steffen »

Ich bin der Meinung daß das was Armstrong gemacht hat keine tiefgreifenden harmonischen Kenntnisse benötigt
Da schwingt irgendwie der Irrglaube mit, dass traditioneller Jazz noch ursprünglich war und irgendwie primitiv, der moderne Jazz hingegen komplex, tiefschürfend und intelektuell. Fakt ist, dass die älteren Stücke keineswegs harmonisch einfach waren, sondern eher komplizierter. In den 20er Jahren war man da schon sehr weit. Der Unterschied in der Improvisation lag darin, dass man sich noch näher am Thema bewegte, d.h. die Harmonien wurden ausgespielt und man richtete sich auch mehr an der Melodie aus. Gerade dafür aber ist eine Kenntnis der Stücke, auch ihres harmonischen Backgrounds, unbedingt notwendig. Auch wenn Louis Armstrong nicht in jeder Hinsicht ein "klassisch" ausgebildeter Musiker war, musste er doch sehr genau und auch tiefgehend bescheid wissen, sonst hätte er es mit Sicherheit nicht geschafft, diese Pionierleistung zu vollbringen und praktisch die Grundlagen für die gesamte populäre Musik des 20. Jahrhunderts zu legen.

Wenn man die Aufnahmen aus den 20er Jahren anhört und sich vor Augen führt, unter welchen Bedingungen und unter welchen aufnahmetechnischen Voraussetzungen sie entstanden sind, dann wird schnell klar, wie gut die Band organisiert war. Auf irgend einer Ebene muss die Kommunikation ja stattgefunden haben, alleine wie exakt da alles zusammenpasst. Die Arrangements sind alles andere als einfach, und die Improvisationen sind virtuos, sehr einfallsreich und fügen sich haargenau ineinander. Das ist genial durchdacht und geplant, das macht kein musikalischer Laie einfach so "aus dem Bauch heraus..."
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Beitrag von Puukka »

Ich stelle mir dass so vor:
Charlie Parker´s musikalische Grundausbildung hat angeblich daraus bestanden, dass er viele Solis von Lester Young per Platte einstudierte.
Und hat daraus seine eigene Erweiterung entwickelt, also Bebop.
Angeblich hat Parker auch seine Kompositionen nur skizzieren können, deshalb glaube ich nicht, dass er fundierte theorethische Kenntnisse hatte.

Ich hätte jetzt die Theorie, dass, wenn man z.B. Parker´s Solis einstudiert, man seine eigene Erweiterung daraus entwickeln könnte, ohne genau zu wissen, was da eigentlich abläuft.

Ich hab erst unlängst mit Hans Strasser, einem Urgestein der Jazzbassisten Österreichs gesprochen, der meinte, also früher hat man nicht so herumtheoretisiert, da wurden einfach Platten gehört und gejammt.
LG Herbert
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Beitrag von tplady »

Ich freue mich überaus sehr über die letzten Statements.

Ich mag schon seit früher Jugend Bix Beiderbecke - am liebsten mit Paul Whiteman (der ja auch den Titel "King of Jazz" trug). Ganz besonders gefällt mir aus seinem Repertoire "I'm coming Virginia". Das sind Harmonien, die man nicht spontan drauf los improvisieren kann - wahrlich eine harte Nuß.

Man sollte den traditionellen Jazz vielleicht weniger auf Satchmo begrenzen. Es gibt außer Bix noch so tolle Trompeter in diesem Umfeld. Ich denke da an die Fletcher Henderson Band, an die Missourians (bevor Cap Calloway sie übernahm!), oder an die Blue Rison Band. [Dann gibt es übrigens noch eine Reihe kompetenter Posaunisten, die in den 20er/30ern geniale Sachen von sich gegeben haben.]

Satchmo hatte einen Gegenspieler namens Jabbo Smith. Dessen Spiel ist sehr einfallsreich gewesen, während Louis sich immer mehr auf quietschende Highnote-Riffs kam. Hinter/neben ihm stand übrigens J.C. Higginbotham, den ich einfach köstlich finde. Im übrigen freue ich mich, wenn Henry Red Allen dort die Leadtrompete spielt und Louis mal aussetzt.

Aber ich tue so vielen Unrecht, denn da sind ja noch Wild Bill Davison, Sidney de Paris - und dann dieser wunderbare Minor Drag: Da spielt ein gewisser Charlie Gains, dessen Solo ich einfach rührend finde (interessant auch, was Eddie Condon von dieser Spontanen Studio-Session in seinem Buch berichtet).

Aber ich darf auch Dizzy Gillespie nicht vergessen. Zwar rechnet man ihn zu den modernen. Er scheint mir aber der einzige Bebop-Vertreter zu sein, der irgendwie noch der Hot-Tradition verpflichtet ist. Er hat sich sicherlich mit den Scalen beschäftigt, um sie dann wieder zu vergessen. Der trompetet einfach lustig drauf los und es macht mir Spaß dabei zuzuhören!!

Scalen hat es übrigens schon immer gegeben. Louis Armstrong berichtete ja selbst, daß seine Lil ihn mit Theorie 'bedroht' hat. Scalen sind in der traditionellen, klassischen Musiktheorie immer wichtig gewesen - eigentlich doch wichtiger als Akkordlehre. Dementsprechend hat auch der traditionelle Jazz seine Scalen. Zu den klassischen kommen halt noch Bluestöne dazu, woraus man schon mal zusätzliche Oldtimejazz-Blues-Scalen ableiten kann.

@Dobs: Wir brauchen uns nicht unnötig zu quälen, ich sehe das wie Du. Die klassischen Scalen hat man in diesem Kulturkreis eh im Gefühl. Ein Oldtime-Jazzer hat auch diese typischen Barbershop-Sequenzen drin. Man kann sich zusätzlich ja noch hin und wieder hinsetzen, um die Bebopscalen rein zu bekommen. Ich pauke sowas aber nicht. Ich spiele es durch, spiele damit herum und dann vergesse ich das alles wieder. So kriegt man diese Sachen ins Gefühl.
Vor vielen Jahren bat mich mein Bruder um Beistand, er würde gerne Jazz lernen. Ich zeigte ihm am Klavier zunächst die Stride-Begleitungstechnik und gab ihm einen einfachen F-Dur-Blues auf. Irgendwann kam ich dann zum Basin Street Blues. Den sehe ich zumindest als eine Zwischenprüfung an: Das ist ja Barbershop in Reinkultur, wo alle Möglichkeiten enthalten sind. Dementsprechend könnte man jetzt Basinstreetblues-Scalen aufschreiben. Was man da nicht alles an Durchgangstönen probieren kann ...
Als Gesellenstück würde ich immer zu Body & Soul greifen. Daran hat man ja bekanntlich was zu knacken ...

Ich will noch eine Anekdote aus meiner Frühzeit zum Besten geben. Ich begann als Pianistin in einer reichlich hindterwäldlerischen New Orleans Band (der Cornetist bekannte: "Alles was nach 1930 kommt, ist mir zu modern, sowas spiel ich nicht!"). Wir waren alle unter 20 Lenze, wurden aber von einer Band gefördert, die aus Lehrern, Architekten ect. bestand. Deren Tubist gesellte sich gern zu unseren Proben. Er sagte zu mir: "Nich klimpern! Immer schön wie Lil Armstong: wap-wap-wap... - Eines Tages entdeckte ich für mich die None und war total glücklich darüber. Und so spielte ich bei der Probe in einem F-Dur-Stück auf D7 ein E in meinem Solo. Und alle waren der Meinung, dies sei ein falscher Ton. Mein Vater hat mir anschließend den Rücken gestärkt. Aber so eng sind heute oftmals Oldtime-Jazzer. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum der alte Jazz von den Bebopern unterschätzt wird. - Man höre sich nur die schrägen Akkorde an, die Fats Waller schon in den 20ern griff.
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